Schwalben mit Bildergalerie
Hilfsmaßnahmen für Rauch- und Mehlschwalben
Seit Jahrhunderten leben Rauch- und Mehlschwalben als Kulturfolger in Dörfern und Städten. Ursprünglich bauten sie ihre Lehmnester an Felsen im Gebirge und Steilküsten am Meer. Schon vor Jahrhunderten sind sie in die Siedlungen der Menschen eingewandert. Dort kleben sie die Nester an künstliche Klippen - nämlich an Hauswände, unter Brücken, in Toreinfahrten, in Ställen und Garagen.
Mehlschwalben haben eine mehlweiße Unterseite und den kürzeren Schwalbenschwanz. Sie brüten an der Außenfassade der Häuser unter Dachvorsprüngen und Giebeln. Sie heißen deshalb auch Hausschwalben.
Rauchschwalben brüten in Viehställen, Scheunen und anderen Gebäuden. Ihre Kehle ist rostrot, der Schwanz auffällig lang wie es sich für Rauchschwalben gehört. Das Nest ist nicht geschlossen wie das der Mehlschwalben, sondern halb offen.
In den Städten und Dörfern von heute ist zwar an sich noch Platz für Schwalben, aber in den modernen Siedlungen sind Straßen, Plätze und Wege, die früher vielerorts ausdauernde Lehmpfützen boten, vollständig versiegelt. So kommt es, dass es den Schwalben an Baumaterial fehlt. Aus diesem Grund gibt es kaum noch Schwalben. Die Intensivierung der Landwirtschaft tut ein Übriges. Das Vieh steht vielerorts ganzjährig im Stall - in modernen Stallanlagen, in denen das Vieh in Massen gehalten wird, hermetisch abgeriegelt ist vor den unerwünschten Blicken der Verbraucher, vor Viren und auch - Schwalben. Die EGE berät Städte und Gemeinden, Hausbesitzer und Landwirte, was sie zum Schutz der Schwalben ganz praktisch tun können. Und so kann jeder Schwalben schützen:
- Lehmpfützen auf Plätzen, Höfen und freien Flächen sollten erhalten und vermehrt werden, denn ohne Lehm können Schwalben keine Nester bauen. Wo immer möglich, sollten stellenweise Asphalt, Beton und Pflaster entfernt werden, damit das Niederschlagswasser auf natürliche Weise langsam in das Erdreich versickern kann. Eröffnen Sie den Schwalben ein altes Baustofflager neu!
- Stall-, Scheunen- und Garagenfenster sollten für Rauchschwalben von Frühjahr bis Herbst offen stehen, denn Rauchschwalben brüten vor allem in Gebäuden.
- Gerade dort, wo es den Schwalben an natürlichem Baumaterial fehlt, können künstliche Nisthilfen die größte Not lindern.
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In eindrücklicher und anrührender Weise hat EGE-Geschäftsführer Wilhelm Breuer in der Zeitschrift "Nationalpark" (Nr. 1/2006) daran erinnert, wie sehr und warum die Zahl der Mehl- und Rauchschwalben in den letzten vierzig Jahren zurückgegangen ist. Wir veröffentlichen diesen Aufsatz an dieser Stelle mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Nationalpark".
Schwalben - Erinnerungen an die Dorfstraße
Im Jahr 1968 ändert sich alles - jedenfalls für die Schwalben meines Dorfes. Für sie ist es der Anfang vom Ende. Während die Studenten an den Universitäten revoltieren und mir in der Pfarrkirche die Erste Heilige Kommunion gereicht wird, verändert sich das gewohnte Bild des Straßendorfes mit den tausend Seelen auf halbem Wege zwischen Köln und Aachen abrupt. Der Ort verschafft sich Bürgersteige, eine moderne Abwasserentsorgung mit Kanalnetz und Kläranlage. Fortan ist das Schmutz- und Niederschlagswasser in eine unterirdische Kanalisation verbannt. Der Fortschritt hat einen Preis: Die Gemeinde verkauft ihren Wald an ein Unternehmen, das später allen Wald abholzen wird für einen Braunkohletagebau - den größten der Welt. Sauberkeit zieht ein ins Dorf, eher als in die Dörfer der Umgebung. Auch deswegen gibt der Bundestags-Wahlkämpfer Kurt Georg Kiesinger im Jahr darauf dem Ort die Ehre.
Bis zu diesem zivilisatorischen Akt frühen Umweltschutzes ist der Regen von Dächern und Höfen, das Spül- und Waschwasser und samstags das Badewasser ungeklärt in die Gosse geflossen. Glitzernd säumte sie alle Dorfstraßen, zog sich schlammig und lehmig dahin, um sich am Dorfrand zu verlieren. Selbst heiße und trockene Sommer konnten dem beständigen Rinnsal nichts anhaben. Wir Kinder ließen darauf die Hölzchen vom Eis am Stiel als Schiffchen fahren. Im Winter war sie uns Schlitterbahn.
Auf den Leitungsdrähten darüber versammelten sich im September ungezählte Mehl- und Rauchschwalben, alte und junge, dicht gedrängt, um die Reise anzutreten ins afrikanische Winterquartier. Pünktlich wie im Vers: An Mariä Geburt flogen die Schwalben furt. Dann fraßen Frost und Sturm an den leeren Schwalbennestern unter Giebeln und Dachvorsprüngen. Erschütterungen des Schwerlastverkehrs ließen manches Nest bröckeln. Haussperlinge zogen ein. Daran hatten sich die Schwalben gewöhnt. Nach ihrer Rückkehr besserten sie aus oder bauten kurzerhand aufs Neue.
Die Schwalben erlebten die kleinen und großen Ereignisse der Dorfgeschichte, den Widerschein der ersten elektrischen Straßenbeleuchtung, die Asphaltierung der Hauptstraße, die Motorisierung und Zunahme des Verkehrs, das letzte Geleit für die Verstorbenen, sahen Hakenkreuzfahnen und später Wirtschaftswunder. Zur Dorfstraße gehörten die Mehlschwalben wie die Fronleichnamsprozession.
Als die Schwalben im Frühjahr 1969 im Dorf eintreffen, säumt die Dorfstraße nicht mehr das vertraute nasse Band aus Lehm und Schmutz, nur ein Rinnstein aus Beton und die Vielzahl der Gullys. Es mag regnen wie es will, keine Pfütze bleibt zurück. Restlos ist aller Boden zwischen den Häuserfronten verschwunden unter Asphalt und Beton unterbrochen nur von Rosenbeeten und Rasen. Kein Wasser glitzert mehr aus der Luft - bloß ein Springbrunnen in der Dorfmitte eingefasst in Waschbetonplatten. Es ist der Geschmack der neuen Zeit. Für uns war die trübe Gosse Spielplatz, für die Mehl- und Rauchschwalben aber eine Frage von Sein oder Nichtsein. Schwalben bauen Nester aus Lehm und kleben sie an Häuserfronten und Stallwände. Die Gosse bot Baumaterial in Hülle und Fülle, frei anzufliegen und vor allem in nächster Nähe zur Baustelle direkt unterm Dach. Schwalben lieben kurze Wege. Sind die Wege lang, ziehen sich alle Mühen in die Länge. Es pappt den Schwalben der Lehm im Schnabel fest. Das Dorf war ein Eldorado für Schwalben. Nichts hinderte sie am Bauen, außer hier und da der Einsatz eines Stubenbesens oder ein flatterndes Band aus Stanniolpapier, was Hausfrauen und Hausbesitzern meine heftigsten Verwünschungen eintrug.
Schon bei Kiesingers Besuch ist die Abwehr entbehrlich. Es herrscht der pure Materialmangel. Bauten sich die Schwalben früher in drei Tagen ein Nest, schaffen sie es jetzt in drei Wochen und manches Jahr in drei Monaten nicht. Was die Schwalben noch an nassem Schmutz finden, klebt nicht und fällt bald zu Boden. Große komfortable Nester künden noch eine Weile von besseren Tagen - Platz für zwei Bruten im Jahr und sechs Junge je Brut. Die neuen Nester hingegen sind klein, falls sie überhaupt zustande kommen. Lange halten sie nicht. Die großen Schwalbenkolonien - oft zwanzig und mehr Nester unter einem einzigen Dach - schrumpfen dahin. Die siebziger Jahre beginnen verheißungsvoll mit einem Europäischen Naturschutzjahr und bringen den Schwalben doch nur den Niedergang. Binnen eines Jahrzehnts sinkt der Mehlschwalbenbestand auf den zehnten Teil.
1975 gibt es im Ort mehr künstliche als natürliche Mehlschwalbennester. Aber die von der Gemeinde dank ihres mitfühlenden Direktors finanzierte Artenhilfsmaßnahme aus Holzbeton - die Kreiszeitung berichtet - ist nur Tropfen auf dem heißen Stein und ohne regelmäßige Reinigung der Nester ein Strohfeuer. Viele Kunstnester machen noch keinen Sommer. Und es sind derer nicht einmal viele. Für rettende Lehmpfützen fehlen Platz und Akzeptanz. Massiv trifft es auch die Rauchschwalben, wenngleich nicht ganz so schwer. Ihre Welt ist weniger die Straße, sondern sind mehr die Ställe, Tennen, Höfe und Hinterhöfe im Dorf. Hier findet sich in einem Winkel noch am ehesten nach einem Sturzbach eine ausdauernde Pfütze. Allerdings leicht auch eine lauernde Katze, die alles Glück unversehens trüben kann. Rauchschwalben kommen mit wenig Lehm aus, bauen ein offenes Nest, armieren es mit Halmen, stützen es auf einen Eisenträger in einem Stall oder eine Leitungsdose am rauen Putz einer Toreinfahrt. Deshalb braucht der Lehm nicht ganz so fett zu sein wie für ein Mehlschwalbennest.
Aber auch die Rauchschwalben sind bald rar - so rar wie das Vieh im Dorf. Von den dreizehn Bauernhöfen der späten sechziger Jahre existieren jetzt noch drei. Nur ein Betrieb hat Kühe im Stall. So fehlt es für die großen Schwalbenkolonien von einst nicht nur am Lehm, sondern auch am Heer der Fliegen, das das Vieh auf der Weide und im Stall belagerte und einen Schwalbenmagen auch in einem verregneten Sommer zu füllen vermochte.
Im Sommer 2005 zähle ich im ganzen Ort noch zwei Mehlschwalbenpaare. Ich bin nicht lange genug dort, um zu wissen, ob sie erfolgreich brüten. In diesem Jahr bleiben die künstlichen Nester aus Holzbeton zum ersten Mal vollends verwaist. Glücklose Glücksbringer. Jetzt genügt ein Kälteeinbruch auf dem Zug, ein Eleonorenfalke über dem Mittelmeer, eine Leimrute im Schilf des Tschadsees - dann sind die Mehlschwalben Geschichte. Eine Geschichte des Dorfes, so vieler Dörfer in Deutschland, die in keiner Dorfchronik vermerkt sein wird. Wer genauer hinschaut, kann Spuren der Nester von einst noch erkennen - ockerbraun, wie Hufeisen auf Putz und Ziegelstein. Die Dorfstraße ist Straße ohne Wiederkehr wie schon Jahre zuvor für die winterlichen Schwärme vagabundierender Sperlinge, Goldammern und Haubenlerchen als Pferde Wagen zogen und der Hafer wichtiger war als Diesel.
Mit den Schwalben schwinden die falschen Vorstellungen: Als ich ein Junge war, glaubte ich die Schwalben im Winter im Afrika der Missionare, als ich älter wurde am Himmel unabhängiger, aufstrebender Staaten. Heute weiß ich sie über Wellblechslums, Kindersoldaten und Diamantenminen internationaler Konsortien.
Nein, die Schwalben bringen kein Glück mehr. Sie haben selber keines. Traditionsverschüttung, Kontinuitätsbrüche und Naturentzauberung schreiten voran - so geschwind und umfassend wie nie zuvor. Noch gibt es wenigstens Rauchschwalben im Dorf und den Hof der Eltern. Kühe füllen nicht mehr den Stall. Aber immer noch um den 10. April herum ruft mich fern der Heimat morgens die Mutter an: "Über Nacht sind die Schwalben zurückgekommen." Ich sollte es wohl auch.
Bildergalerie "Schwalbenprojekt"

Ohne Lehm kein Schwalbenleben. Sollen die Schwalben im Dorf bleiben, müssen es die Lehmpfützen auch. Wo immer möglich, sollten die Menschen im Dorf Asphalt und Beton aufreißen - stellenweise wenigstens - und den Schwalben ein altes Baustofflager neu eröffnen (im Bild: Mehlschwalben).

Bauten sich Mehlschwalben früher in drei Tagen ein Nest, schaffen sie es jetzt in drei Wochen und manches Jahr in drei Monaten nicht.


Rauchschwalben kommen mit wenig Lehm aus. Sie bauen ein offenes Nest, armieren es mit Halmen, stützen es auf einen Eisenträger in einem Stall oder eine Leitungsdose am rauen Putz einer Toreinfahrt. Rauchschwalben sind Stallschwalben.

Rauchschwalben (im Bild) haben eine rostrote Kehle und den längeren Schwalbenschwanz. Mehlschwalben hingegen sind die Schwalben am Haus. Das Gefieder auf Brust und Bauch ist weiß wie Mehl.

Ein Schwalbensommer endet am 8. September. "An Mariä Geburt fliegen alle Schwalben furt." Vorzugsweise von einem Telegraphendraht, einer Stromleitung oder von einer Antenne. Früher ein gewohntes Bild, heute ein eher seltener Anblick.

Sozialer Wohnungsbau für Mehlschwalben. Nester aus Holzbeton können die größte Not lindern. Hier werden sie gerade an der Fassade eines Gebäudes in Heimbach am Rande des Nationalparks Eifel angebracht. In Heimbach ist die Geschäftsstelle der EGE.