Liebe Uhufreundinnen und -freunde,

wie viele von Ihnen live miterlebt haben, verlief die Beringung problemlos. Alle vier Junguhus wirken gesund und bestens genährt. Die genommenen Maße geben Auskunft über das Alter und lassen auch Rückschlüsse auf das Geschlecht der jungen Uhus zu.

Die großen Schwungfedern am Vogelflügel werden unterschieden in Arm- und Handschwingen. Die Armschwingen befinden sich am Unterarm, die Handschwingen im Bereich der Handknochen. In der nachstehenden Tabelle sind die Messergebnisse in Millimeter und Gramm für jeden der vier Uhus eingetragen. Die Uhus sind mit der jeweiligen Ringnummer identifiziert. Es sind Ringe der Vogelwarte Helgoland.

  • Das Maß „Hand+Hs7“ misst vom Handgelenk bis zur längsten Handschwinge.
  • „As1 gesamt“ misst die Gesamtlänge der ersten Armschwinge (also den Teil, der im Wachstum befindlichen Feder, die noch im Blutkiel steckt sowie die schon herausragende fertige Federfahne).
  • „As1 aufgeplatzt“ misst die schon herausragende Federfahne.
Ringnr.
2000418
2000419
2000420
2000421
Kopflänge
80,7
81,9
89,7
78,8
Kopfbreite
60,3
55
57,5
51
Hand+Hs7
145
115
127
87
As1 gesamt
75
50
65
30
As1 aufgeplatzt
25
13
18
0
Gewicht
1150
1125
1375
925
Ringnr.
2000418
2000419
2000420
2000421
Kopflänge
80,7
81,9
89,7
78,8
Kopfbreite
60,3
55
57,5
51
Hand+Hs7
145
115
127
87
As1 gesamt
75
50
65
30
As1 aufgeplatzt
25
13
18
0
Gewicht
1150
1125
1375
925

Bei der Beringung geht es dem Alter nach; dabei verlasse ich mich auf meine Intuition, vergleiche aber die Messergebnisse mit den Werten aus einer Tabelle mit Erwartungswerten, um die Einschätzungen ggf. berichtigen zu können. Das Verhältnis von Schädellänge und -breite lässt Rückschlüsse auf das Geschlecht zu. Der Vogel mit dem Ring 2000420 und der kleinste Uhu mit 2000421 dürften demnach Weibchen sein.

Bevor wir die Burgruine für die Beringung betraten, haben wir absichtlich Lärm gemacht. Auf diese Weise waren alle Mitglieder der Uhufamilie vorgewarnt. Isolde saß während der gesamten Beringungsaktion auf ihrem Lieblingsplatz (ca. fünf Meter rechts oberhalb von Cam 3). Beim Betreten der Ruine habe ich sie kurz angesehen und ihr mit langsamem Lidschlag Gelassenheit signalisiert. Erst als ich das Nest von der Leiter aus fast erreicht hatte, warnte sie mich und ihre Jungen mit lautem Schnabelknappen.

Bei Dunkelheit würden Uhus Fressfeinde und auch Menschen in diesem Moment ohne Vorwarnung von hinten anfliegen und ihnen die Krallen durch die Kopfhaut ziehen. Wer eine solche Begegnung erlebt hat, beschriebt es so: „Es ist so, als träfe Dich ein mit Nägeln gespickter Ziegelstein oben auf dem Kopf.“

Jetzt sind die jungen Uhus noch in einem Alter, in dem sie sich totstellen. Das ist die beste Reaktion auf Gefahren. Das genetisch vererbte Programm rät ihnen, auch nach einer Bedrohung vorsichtshalber noch einige Zeit regungslos zu verharren. Gestern dauerte es 30 Minuten bis wieder Bewegung in die Geschwisterschaft kam. Dieses Verhalten ist besonders bei der Bedrohung durch Beutegreifer sinnvoll, weil sie auf Bewegung und Fluchtversuche mit raschem Zugriff reagieren.

Als ich die beiden ältesten Uhus wieder in das Nest gesetzt hatte, waren sie etwas aufmüpfig und wollten den Kopf nicht unten lassen. Zu ihrer Sicherheit habe ich sie mit einer Ratte „beschwert“. Bei Beringungen in Felsen oder Steinbrüchen nutze ich für diesen Zweck auch gerne Grünzeug. Als wir die Ruine verließen, warf ich Isolde wie zu Beginn noch einen Blick zu und schloss kurz die Augen. Vielleicht bis zum nächsten Mal, so dachte ich.

Obwohl ich körperlich wohl noch einige Monate brauche, um hoffentlich komplett geheilt zu sein, klappte die gestrige Aktion schon ganz gut. Vielen Dank an Benedikt für die Unterstützung. Er half mir auch fürsorglich in den Rucksack wie einer älteren Dame in den Mantel. Es werden mir in diesem Jahr einige einfache Beringungen möglich sein. Für größere Abseil- oder gar Kletteraktionen wie zu Lottes Nistplatz wird es jedoch nicht reichen.

Wie sieht es bei Lotte aus?

In der vergangenen Nacht bestätigte sich leider unsere Vermutung. Zumindest eines der Eier war beschädigt und wurde schließlich von Lotte entsorgt.

Der Untergrund in dieser seit Jahrzehnten genutzten Brutmulde ist sicherlich sehr hart und Lottes Bemühungen, ungünstig gelegene Steinchen zu entfernen, hatten möglicherweise nicht den gewünschten Erfolg. Zusätzlich änderten die Uhus ihre Vorratshaltung und lagerten Nahrung auch direkt im Nest. Teils wurde es in der Mulde eng und Lotte fraß auch direkt neben den Eiern. Dies könnte zu der Beschädigung beigetragen haben. Möglicherweise sind diese Verhaltensänderungen eine Reaktion auf die Waschbären. Ausgelagerte Nahrung kann von den geruchsorientierten Kleinbären leicht aufgespürt werden. Im Wohnzimmer deponierte Nahrung kann Lotte besser überwachen. Bisher brütet Lotte unbeirrt weiter, so dass wir noch hoffen können.

Ich drücke allen Uhus die Daumen!
Ihr Stefan Brücher