Was Eulen zu Eulen macht …

von Dr. Wolfgang Scherzinger

Von den weltweit 200 Eulenarten leben 13 in Europa. Sie haben nahezu alle Lebensräume besiedelt. Entsprechend groß ist ihre Vielfalt hinsichtlich Körpergröße, Gefiederfärbung, Brutplatzwahl und Lebensäußerungen. Dennoch sind sie stets als Eulen leicht zu erkennen, da ihr Erscheinungsbild in wesentlichen Merkmalen übereinstimmt.

Jedes Kind weiß, wie eine Eule auszusehen hat: Große, vorgerichtete Augen, ein kugeliger Kopf auf dem gedrungen breiten Körper mit flauschig weichem Gefieder. Diese Mindestausstattung findet sich auch im so genannten „Eulenschema“ wieder, nach dem Singvögel, Krähen oder Greifvögel eine Eule „anhassen“.

Eulen sind ein Evolutionsphänomen

Eulen sind eine völlig eigenständige Vogelgruppe. Ihre ältesten Vertreter lebten vor rund 50 Millionen Jahren. Vor allem sind Eulen Geschöpfe der Nacht. Um ihre Lebensweise zu verstehen, müssen wir uns vorstellen, welche Anpassungen das Leben in der Nacht verlangt.

Bevölkerten Insekten, Reptilien und Vögel die urzeitliche Landschaft bei Tage, so kamen die frühen Säugetiere hauptsächlich nachts heraus. Um diese zu erbeuten, braucht man leistungsstarke Augen, ein empfindliches Gehör, tötungsscharfe Greifapparate – und muss dabei selbst unauffällig bleiben. Genau diese Eigenschaften kennzeichnen eine Eule:

Nachts sind alle Katzen grau – das gilt auch für Eulen. Sie müssen nämlich für Feinde und Beute gleichermaßen „unsichtbar“ und unhörbar bleiben. Das gelingt den Eulen mit tarnfarbenem und vor allem lockerem Gefieder und dunenartig weichen Federfahnen. Die „gezähnelten“ Außenkanten der äußeren Schwungfedern wirken wie Schalldämpfer für einen geräuschlosen Flug.

Waldohreule im Flug © Claus Weisenböhler

Nachts sind alle Katzen grau – das gilt auch für Eulen. Sie müssen nämlich für Feinde und Beute gleichermaßen „unsichtbar“ und unhörbar bleiben. Das gelingt den Eulen mit tarnfarbenem und vor allem lockerem Gefieder und dunenartig weichen Federfahnen. Die „gezähnelten“ Außenkanten der äußeren Schwungfedern wirken wie Schalldämpfer für einen geräuschlosen Flug.

Das Rindenmuster im Gefieder der Zwergohreule ist dem lebensraumspezifischen Untergrund angepasst und eine perfekte Tarnung.

Sie sind dunkelaktive Jäger. Die Evolution hat sie ausgestattet mit Supersinnen für die Jagd, um ihre Beute auch bei tiefer Finsternis zielsicher greifen zu können. Eulen sind Beutegreifer mit kräftigen Greifzehen mit scharfkantigen Krallen für den raschen Tod der Beute.

Eulen besitzen um ein Vielfaches leistungsstärkere Augen als die meisten Vögel. Eulenaugen sind extrem lichtempfindlich und vermögen noch geringe Restlichtmengen auszunutzen. Im Dunkeln allerdings können auch sie nichts mehr sehen. Ganz im Gegensatz zur landläufigen Meinung, Eulen seien „tagblind“, sehen sie auch bei Sonnenlicht sehr gut. Das Eulenauge ist länglich und nahezu starr verankert. Das vorgerichtete Augenpaar ermöglicht das Entfernungsausmessen durch binokulares Sehen und verleiht dem Eulengesicht einen puppenhaft-menschlichen Ausdruck. Diese Spezialisierung geht auf Kosten der visuellen Überwachung der Umgebung, weshalb sich Eulen in regelmäßigen Abständen zur Feindabsicherung umschauen. Den meisten Eulenarten gelingt dabei ein Zurückdrehen des Kopfes über den Rücken, was im Einzelfall einer Wendung von mehr als 270 Grad entspricht.

Die ungewöhnliche Leistungsfähigkeit des Eulengehörs konnte mit modernsten Messgeräten belegt werden: Es fängt feinste Geräusche auf – wie etwa Mäusetrippeln unter einer 20 Zentimeter tiefen Schneedecke – und ist in der Lage, die Beute Millimeter genau zu lokalisieren. Das ermöglicht z. B. einer Schleiereule den Beutefang in völliger Finsternis!

Zwergohreule © Alfred Limbrunner

Das Rindenmuster im Gefieder der Zwergohreule ist dem lebensraumspezifischen Untergrund angepasst und eine perfekte Tarnung.

Die starre Verankerung der Augen kann die Eule mit großer Wendigkeit des Kopfes kompensieren.

Die starre Verankerung der Augen kann die Eule mit großer Wendigkeit des Kopfes kompensieren.

Rauhfußkauz beim Beutefang. Auge und Ohr fixieren die Maus im Anflug. Knapp vor dem Aufprall werden die Füße mit sohlenartig gespreizten Zehen vorgestreckt.

Rauhfußkauz beim Beutefang. Auge und Ohr fixieren die Maus im Anflug. Knapp vor dem Aufprall werden die Füße mit sohlenartig gespreizten Zehen vorgestreckt.

Die zurückgestellte Wendezehe formt den Fuß zur scharfen Zange.

Die zurückgestellte Wendezehe formt den Fuß zur scharfen Zange.

Der weich gefranste Schwingensaum dämpft das Fluggeräusch.

Der weich gefranste Schwingensaum dämpft das Fluggeräusch.

Eulen sind keine Vegetarier

So einheitlich das Erscheinungsbild der Eulen zunächst wirken mag, hat diese Vogelgruppe doch eine hohe Artenvielfalt entwickelt, um die unterschiedlichen Lebensräume und Klimabereiche besiedeln zu können: Eulen jagen in der Wüste, an Gewässern, im Schilf oder im Wald. Bewohner steppenartiger Landschaften haben von der menschlichen Rodungstätigkeit profitiert und brüten als „Kulturfolger“ nicht selten sogar in Gebäuden als Felsenersatz.

Eulen sind Fleischfresser und Jäger. Auf ihrem Speisezettel findet sich so ziemlich alles, angefangen bei Regenwurm und Nachtschmetterling bis zu Fisch, Frosch oder Jungfuchs. Am meisten gesucht sind allerdings Mäuse.

Der Beutefang ist den Eulen „angeboren“. Jungeulen müssen also nicht bei ihren Eltern in die Lehre gehen, wohl aber müssen sie lernen, was man alles erjagen kann, welche Beute ihnen gefährlich werden kann und vor allem, wo die beste Jagdchance zu erwarten ist. Junge Waldkäuze begleiten deshalb ihre Eltern durchs ganze Revier, da nur eine gebietskundige Eule erfolgreich ist.

So verschieden der Lebensraum, so verschieden die Beute und so verschieden die jeweilige Jagdtechnik. Am meisten verbreitet ist die Wartenjagd: Die Eule sucht aus geringer Höhe den Boden ab – auf einem Ast, Zaunpfahl sitzend oder in weichem Rüttelflug in der Luft „stehend“. Jäger der offenen Landschaft pirschen in niedrigem Suchflug. Manche Arten jagen auch zu Fuß, vor allem bei Frosch- oder Insektenfang. Eulen haben einen weiten Schlund, um die Beute gleich mit Haut und Haar verschlingen zu können. Kleinere Vögel werden nur grob gerupft. Viele Eulenarten trennen vor dem Schlingen den Kopf des Beutetieres ab. Große Objekte werden zerteilt. In kunstvoller Weise schält der Uhu den Igelkörper aus dem Stachelkleid. Ein scharfer Magensaft löst das Muskelfleisch auf. Alles Unverdauliche wird zu festen Paketen gepresst und wieder ausgewürgt. „Gewölle“ oder „Speiballen“ sagen die Fachleute. Für sie ein offenes Buch von den Speisen der Eule, denn hier finden sie nun die Knöchelchen, Haarbüschel, Federn, Hornteile und vor allem die Zähne der Beutetiere.

Viele Mäuse – viele Eulen

Eulen bauen selbst kein Nest – mit Ausnahme der Sumpfohreule und Kanincheneule, die die Nestmulde mit Pflanzenteilen auslegen. Deshalb sind die meisten Arten eng an ein natürliches Höhlenangebot (z. B. hohle Bäume, Spechthöhlen, offene Höhlen und überdachte Nischen in Felsen), auf andere nestbauende Arten (Raben- oder Greifvögel) oder auf Kunsthöhlen (Nistkästen, Turmhauben, Verschalungen) bzw. Kunstfelsen (wie hohe Gebäude, Kirchen, Scheunen) angewiesen.

Eulen legen weiße Eier – egal ob sie in Höhlen oder auf offenem Boden brüten. Brut- und Nestlingsdauer sind vergleichsweise lang – alles Hinweise darauf, dass diese Vogelgruppe von wenig gefährdeten Höhlenbrütern abstammt.

Fette und magere Jahre wirken sich bei vielen Eulenarten in der Gelegestärke aus: Gibt es viele Mäuse und versorgt das Männchen seine Partnerin zur Balzzeit im Übermaß, dann legen Waldkäuze bis zu fünf oder sechs Eier, Schleier-, Sumpfohr- oder Schnee-Eulen bis zu 12 Eier. In schlechten Jahren sind die Gelege wesentlich kleiner, oder die Brut fällt ganz aus. Eine weitere Möglichkeit, das wechselnde Nahrungsangebot jeweils bestmöglich zu nutzen, sind Mehrfachbruten: Schleiereulen können bis zu drei Bruten – ineinander verschachtelt – großziehen. Zweitbruten gibt es seltener auch bei Rauhfußkauz und Waldohreule. Die meisten Arten brüten aber nur einmal im Jahr, viele Arten machen nicht einmal ein Ersatzgelege bei Brutverlust. Hohe Bestandsverluste können von solchen „konservativen“ Arten nur sehr langsam wieder ausgeglichen werden. Ein Problem z. B. bei der Erhaltung der Steinkäuze.

In enger Abhängigkeit zum Vermehrungszyklus von Wühlmäusen oder Lemmingen zeigt auch der Rauhfußkauz deutliche Bestandsschwankungen.

In enger Abhängigkeit zum Vermehrungszyklus von Wühlmäusen oder Lemmingen zeigt auch der Rauhfußkauz deutliche Bestandsschwankungen.

Stimmen in der Nacht

Die meisten Eulen äußern hübsche, melodisch flötende Laute. Sie verfügen oft über ein reiches Lautrepertoire und ermöglichen dem kundigen Beobachter recht genaue Erklärungen, selbst wenn die Urheber unsichtbar bleiben. Eine Verständigung ist in der Dunkelheit – zumal über große Entfernungen – nur stimmlich möglich. Die Stimmen der Eulen sind deshalb das wichtigste Kommunikationsmittel, und entsprechend vielfältig sind ihre Äußerungen.

Eulen sind Sorgenkinder des Naturschutzes

Alle einheimischen Eulenarten zählen nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu den streng geschützten Arten. Trotzdem: Die meisten von ihnen finden sich auf den „Roten Listen“ der gefährdeten Arten.

Das Überleben der Eulen hängt ganz wesentlich davon ab, welchen Stellenwert Politik, Wirtschaft und Verwaltung und in vielen Fällen auch einzelne Personen – nicht zuletzt Land- und Forstwirte – dem Schutz der Eulen und der Natur im Ganzen einräumen.

Auch Sie können Europas Eulen schützen!

Wenn Sie die Informationen und Dienste der EGE auf dieser Homepage nutzen und wenn Ihnen die Sache des Naturschutzes am Herzen liegt, unterstützen Sie bitte die Arbeit der EGE mit Ihrer Spende, damit

  • Bäume alt und hohl werden dürfen als Versteck für den Waldkauz.
  • der Wald reich ist an Spechthöhlen – dem Brutplatz der Sperlingskäuze.
  • auch künftig alte Obstwiesen, in denen Steinkäuze leben, das Dorf säumen.
  • in stillen Dünentälern Sumpfohreulen ein Zuhause haben.
  • Uhus ungestört vor den Auswüchsen der Spaßgesellschaft in Felsen brüten.
  • in einem Elsternnest des Vorjahres Waldohreulen ihre Jungen aufziehen.
  • Kirchtürme und Scheunen weit offen stehen für Schleiereulen.
  • Mäuse in Feldern und Fluren leben, denn ohne Mäuse keine Eulen.