Kennzeichen
Die Schnee-Eule ist fast genauso groß wie der Uhu. Im Flug zeigt sie auffallend lange Flügel und einen ziemlich kurzen Schwanz. Die Gefiederfärbung ist beim adulten Männchen schneeweiß, oft ohne jede dunkle Zeichnung, sonst mit wenigen dunklen Punkten oder Querlinien. Im Unterschied dazu zeigt das weiße Gefieder des Weibchens ober- und unterseits viel mehr dunkle Flecken und Querbänder. Sehr kennzeichnend ist auch der runde – beim Männchen verhältnismäßig kleine – Kopf mit goldgelben Augen. Der lackschwarze Schnabel ist größtenteils von dichten weißen Federn bedeckt. Die Beine und Zehen sind ebenfalls dicht bis zu den schwarzen Krallen befiedert. Die Befiederung ist eine schneeschuhartige Anpassung an den hohen Schnee und die Kälte der arktischen Gebiete. Das „Gesicht“ der Jungvögel ist in der Augen-Schnabel-Region kontrastreich gezeichnet, das Jungendkleid düster anthrazit-grau; es wird mit dem Längenwachstum der Federn zunehmend heller und gebändert.
Lautäußerungen
Außerhalb der Fortpflanzungszeit ist die Art bis auf universelle Abwehrlaute wenig stimmfreudig. Der auffällige Reviergesang des Männchens ist über mehrere Kilometer zu hören und klingt wie lautes Hundebellen. Es handelt sich dabei um eine monotone Reihe von 2-6 (bis zu 25) rauen, nahezu grunzenden chruh-Silben. Die Silben folgen in einem Intervall von etwa 1 bis 2 Sekunden. Beim Singen steht die Eule meist auf einem erhöhten Punkt, beugt sich schräg vor, den Schwanz angehoben, bläht die Luftsäcke sichtbar auf und stößt die Laute wie bei einem kräftigen Husten aus.
Nahrung
In den Brutgebieten besteht die Nahrung zu etwa 96 % aus Lemmingen und Wühlmäusen, daneben aus Vögeln bis zu Gänsegröße. Schneehühner bilden eine wichtige Ersatznahrung. Im Überwinterungsgebiet nutzt die Eule ein breites Beutespektrum, das selbst Meeresvögel, Krebse und Fische eisfreier Küstenstriche umfasst. Bei Lemming-Gradationen kann die Siedlungsdichte entsprechend groß sein.
Auf Lemminge jagen Schnee-Eulen bevorzugt von Felsblöcken oder anderen kleinen Erhebungen der offenen Landschaft aus. Erspähte Beute wird aus flach gleitendem Anflug, aus hohem Pirschflug oder behäbigem Rüttelflug angesteuert. Verfehlt der Angriff, verfolgt die Eule die Beute zu Fuß oder im Flattersprung. Versteckmöglichkeiten in Grasbüscheln und Gesteinsklüften sucht sie tief vorgebeugt nach Beute ab, die sie mit lang gestrecktem Fang aus dem Loch zu angeln oder mit klatschenden Flügeln aus dem Versteckt zu treiben sucht. Wegen der Bestandsschwankungen der Lemminge müssen auch andere Jagdtechniken beherrscht werden. Im wendigen Flug vermag sie nach Art der Wanderfalken Vögel selbst aus der Luft zu greifen. In Mangeljahren versucht sie Eisfüchsen oder anderen Beutegreifern die Nahrung systematisch abzujagen. Ganzjährig versteckt sie überschüssige Nahrung in Depots in Erdklüften, unter Steinen oder im Winter auch im Schnee.
Lebensraum
Schnee-Eulen besiedeln das offene, übersichtliche Gelände der skandinavischen Fjälls und der arktischen Tundra. Im Allgemeinen werden etwas erhöhte Stellen im Gelände, die relativ früh schneefrei und trocken sind, als Brutplätze bevorzugt. Dies gilt auch für die Tundra, wo Anhöhen oder Hanglagen gleichzeitig einen guten Blick über die Umgebung bieten. Auch im Winter hält sich die Schnee-Eule meist in offener Landschaft auf. Nur bei sehr strenger Kälte zieht sie sich in schüttere Waldbestände zurück.
Fortpflanzung
Schnee-Eulen werden schon vor dem Ende des 1. Lebensjahres geschlechtsreif. In der freien Natur findet eine Brut allerdings grundsätzlich nur dann statt, wenn genügend Beutetiere vorhanden sind. Gelegegröße und Bruterfolg sind nicht nur vom jeweiligen Nahrungsangebot abhängig, sondern nehmen auch mit dem Alter der Weibchen zu. Der Brutplatz ist oft über Jahre derselbe, meist an erhöhten, trockenen und windgeschützten Stellen, wo in dem mit Moosen und Flechten bewachsenen Boden eine flache Mulde mit Flügeln und Schnabel ausgehoben wird. Schnee-Eulen führen eine Saisonehe und sind im Allgemeinen monogam. Nur das Weibchen brütet. Der Legebeginn ist vom Zeitpunkt der Schneeschmelze abhängig und liegt zumeist in der 2. Maihälfte. Das Gelege besteht in der Regel aus 7 – 9, je nach Nahrungssituation aber auch aus weniger oder mehr Eiern. Die Jungen schlüpfen entsprechend dem Legeintervall im Abstand von etwa 2 Tagen, was auffällige Größenunterschiede zur Folge hat.
Verbreitung
Zirkumpolarer Brutvogel der Arktis bis in die nördlichsten eisfreien Gebiete, vor allem in der Tundra im nördlichen Russland und Sibirien, in den Küstenbereichen Alaskas und im arktischen Kanada sowie an der Ostküste Grönlands. Die wesentlichste Besonderheit des Brutareals ist seine zeitliche und räumliche Instabilität. Je nach Nahrungsangebot kann die Schnee-Eule in ihren arktischen Verbreitungsgebieten mal hier, mal dort brüten, mal in größerer, mal in geringerer Zahl oder gänzlich fehlen. Die Schwankungen stehen im Zusammenhang mit den zyklischen Bestandsschwankungen der Lemminge, ihrer Hauptbeutetiere. Die gelegentlichen Bruten im Inneren Islands sind insofern bemerkenswert, weil dort Lemminge fehlen und die Schnee-Eulen ihre Jungen mit erbeuteten Schneehühnern und Enten aufziehen. Sensationell waren die Brutnachweise zwischen 1976 und 1975 auf den Shetland-Inseln (Großbritannien).
Bestand
Der Bestand in Island, Norwegen, Schweden und Finnland wird für die 1990er Jahre auf weniger als 30 Paare geschätzt; der Bestand im europäischen Russland auf 1.300 – 4.500 Paare.
Gefährdung und Schutz
Seit einhundert Jahren scheint der Schnee-Eulen-Bestand in Skandinavien stetig abzunehmen, was vor allem auf klimatische Veränderungen zurückgeführt wird. Die kurzfristigen Bestandsschwankungen erfolgen hingegen in enger Abhängigkeit vom zyklischen Massenwechsel der Lemminge und Wühlmäuse. In der skandinavischen Gebirgstundra kommt es zunehmend zu Störungen durch menschliche Aktivitäten, z. B. Verkehr mit Schneemobilen auch abseits von Straßen. Deshalb sollten Schutzmaßnahmen in den Brutgebieten ergriffen werden. In Kanada und Alaska kommt es z. T. zu hohen Verlusten durch LKW-Verkehr auf Transitrouten des Nordens.