Kennzeichen

Die Sperbereule ist fast so groß wie eine Waldohreule; sie ist jedoch ohne Federohren. Der Kopf ist relativ klein, die Stirn flach. Die Augen sind hellgelb; der weiße Gesichtsschleier ist über den Augen und an den Seiten schwarzbraun umrandet.

Die Oberseite ist dunkelbraun mit weißlicher Fleckung, während die weiße Unterseite mit schmalen braunen Querbändern „gesperbert“ ist. Der Schwanz ist lang und keilförmig. Die Flügel sind kurz und ziemlich spitz. Im schnellen und gewandten Flug wie auch in der Jagdweise ähnelt die Sperbereule mehr einem Greifvogel als einer Eule.

Verhalten

Die Sperbereule ist tag- und dämmerungsaktiv und wenig scheu. Sie sitzt gerne frei auf einem exponierten Ast, von dem aus sie die Umgebung überwacht und bei Störungen schrille Rufreihen hören lässt. Beim Sichern dreht sie den Kopf ruckartig um 180 Grad.

Lautäußerungen

Der Reviergesang des Männchens im Frühjahr ertönt zu allen Tageszeiten. Er besteht aus einem 2-3 Sekunden langen klangvollen Trillern, welches leise beginnt und sich dann zu einem „hu-hu-hu-üüüüü“ steigert.

Das Weibchen trillert ähnlich. Bei schwacher Erregung äußern Männchen und Weibchen häufig einen kurzen Triller „kiiiiirl“ von sehr variablem Klang. Als Warn- und Schrecklaute sind während des ganzen Jahres – auch fern vom Brutplatz – gellende „kwi-kwi-kwi-kwi-kwi“-Rufe (das sogenannte „Wiehern“) zu hören.

Die Bettelrufe der Jungen klingen wie „tschi-epp“.

Jagdweise und Nahrung

Am häufigsten jagt die Sperbereule – am Tage und in der Dämmerung – von einer erhöhten Warte aus, die sie im Sturzflug verlässt, um am Erdboden Kleinsäuger zu erbeuten. Sie jagt aber auch im niedrigen Suchflug mit partiellen Gleitflugstrecken. Dabei rüttelt sie wie ein Turmfalke.

Zur Brutzeit ernährt sie sich und ihre Jungen fast ausschließlich von Wühlmäusen und Lemmingen. Daneben erbeutet sie andere Kleinsäuger und – vor allem im Winter – auch kleine und mittelgroße Vögel.

Verbreitung

Die Sperbereule ist von Norwegen quer durch die boreale Nadelwaldzone Eurasiens bis nach Kamtschatka und Sachalin, außerdem in Alaska und Kanada verbreitet. Die Nordgrenze der Verbreitung fällt mit der Waldgrenze zusammen.

Die Sperbereule brütet in Fennoskandien normalerweise zwischen dem 70. und dem 64. Breitengrad, ausnahmsweise (nach Invasionen) auch südlicher, bis etwa zum 61. Breitengrad; in Russland südwärts bis etwa zum 55. Breitengrad.

Lebensraum

Die Art besiedelt den borealen Nadelwald und Gebirgswälder, vor allem lichte Kiefernbestände mit angrenzenden offenen Stellen wie Hochmooren oder Kahlschlägen.

Bestand und Siedlungsdichte schwanken in starker Abhängigkeit vom Massenwechsel von Wühlmäusen und Lemmingen. Bei günstigen Voraussetzungen wird die Siedlungsdichte in Schweden auf 20 Brutpaare pro 100 km² geschätzt.

Fortpflanzung

Sperbereulen werden im ersten Jahr geschlechtsreif. Die Balz dauert von Anfang März bis Mitte April. Legebeginn ist Anfang April bis Mitte Mai. Es findet nur eine Brut im Jahr statt. Das Gelege besteht aus 3-13, meist 5-8 Eiern, die im Abstand von 1-2 Tagen gelegt werden. Die Brutdauer beträgt 28-30 Tage.

Bevorzugte Brutplätze sind Höhlungen in der Spitze eines abgebrochenen Baumstammes. Es werden aber auch Schwarzspechthöhlen oder andere natürliche Höhlen, gelegentlich auch Nistkästen bezogen.

Die Jungen fliegen aus einer Spechthöhle erst mit etwa 5 Wochen aus; aus einem offenen Nest hingegen bereits noch nicht flugfähig im Alter von 3 bis 4 Wochen. Die Jungen werden noch bis Ende August von den Eltern versorgt.

Wanderungen

In Nordeuropa ist die Sperbereule teils Stand- und Strichvogel, in manchen Jahren – nach dem Zusammenbruch der Wühlmaus- oder Lemmingpopulation – unternimmt sie ausgedehnte Wanderungen. Diese können zu Invasionen ins südliche Fennoskandien und zu Einflügen bis nach Mitteleuropa führen.

Bestand

Die Bestände schwanken in einzelnen Jahren. Sind Wühlmäuse reichlich vorhanden, brüten in Finnland bis zu 4.000 Paare. Bricht die Wühlmauspopulation zusammen, sind es manchmal nur noch 100 Paare. Für das europäische Russland wird die Anzahl der Brutpaare zwischen 10.000 und 100.000 geschätzt. Die Angaben für Norwegen, Schweden und Finnland bewegen sich im Mittel auf etwas mehr als 8.000 Brutpaare.

Gefährdung und Schutz

Die Kahlschlagwirtschaft in den borealen Nadelwäldern zerstört einerseits die Lebensräume der Sperbereule, wenn auf diese Weise das Brutplatzangebot zerstört wird. Andererseits begünstigen Kahlschläge hohe Mäusedichten, was den Sperbereulen zugutekommt, sofern genügend Brutplätze erhalten bleiben.