Reiner Schopf ist tot. Er starb am 8. August 2024 im Alter von 86 Jahren. Schopf, Jahrgang 1938, war nach Gärtnerlehre und vierjährigem Dienst in der Bundesmarine von 1973 bis 2003 der Vogelwart der Insel Memmert südwestlich der ostfriesischen Insel Juist. Dort sorgte er für ein Ende vermeintlicher Privilegien Juister Wassersportler, Angler und Jäger und für einen ganzjährigen Schutz der Seevögel. Nach dem Ausscheiden aus dem Dienst blieb Schopf ein ebenso unbestechlicher wie unbequemer Beobachter, Analyst und Mahner des Naturschutzes. Wie kaum ein anderer beklagte er die Kommerzialisierung des Wattenmeeres als Kapital und Kulisse der Tourismuswirtschaft und die damit verbundenen Folgen für die Welt der Strand-, Wasser- und Seevögel. Ob man sich im Weltnaturerbe Wattenmeer zu einer Würdigung des streitbaren Vogelschützers entscheiden wird, bleibt abzuwarten.
Im deutschen Nachrichtenportal T-Online gab es einen Tag vor Schopfs Tod einen gleichsam vorgezogenen Nachruf auf die vor hundert Jahren zum Naturschutzgebiet erklärte Insel des Vogelwarts: Memmert sei „dem Untergang geweiht“. Wegen des steigenden Meeresspiegels habe das Eiland „keine Chance auf Rettung“. In 75 Jahren werde von Memmert nichts mehr zu sehen sein.
Schopf war für einen solchen Alarmismus unempfänglich. Schopf wusste, dass der Meeresspiegel der südlichen Nordsee nicht erst seit heute und gestern, sondern seit 12.000 Jahren steigt; derzeit pegelmessungsbasiert um mäßige 1,7 mm im Jahr. Dünenabbrüche und Anlandungen gehören zur Dynamik des Wattenmeeres. Das ist auf Memmert und der benachbarten Sandbank namens Kachelotplate eindrücklich zu beobachten. Einige Juister Geschäftsleute fantasierten bereits von schicken Restaurants, Edelboutiquen, Discos und Nachtclubs auf der auf Memmert zu wachsenden Kachelotplate. Memmert und Kachelotplate sind Teil des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Dazu zählt auch die Reihe der sieben ostfriesischen Inseln. Sie aber werden wie die Küste mit einem gewaltigen Aufwand an Technik, Material, Gerät und Kosten gesichert.
Der Bericht über den „unaufhaltsamen Untergang“ Memmerts enthält noch weitere Besonderheiten: Ein Inselbauwerk aus den 1930er Jahren verortet der Bericht in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Das dazugehörige Foto wurde unter Verletzung des Urheberrechts verwandt. Der im Bericht zitierte vermeintlich derzeitige Direktor der niedersächsischen Küstenschutzbehörde ist seit 2016 im Ruhestand. Auf manche Art Berichterstattung lässt sich verzichten. Reiner Schopf hingegen wird schon jetzt schmerzlich vermisst.