Die deutschen Bundesministerien für Verkehr und Umwelt haben den Länderumweltministerien am 06. Januar 2025 den Entwurf einer „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesnaturschutzgesetzes zum Vogelschutz bei der Elektrifizierung der Schieneninfrastruktur“ zur Stellungnahme vorgelegt. Gegenstand des Entwurfs ist der Bau von Oberleitungsanlagen von Eisenbahnen an bisher nicht elektrifizierten Strecken. Der Anteil des elektrifizierten Streckennetzes beträgt aktuell 62 Prozent und wird bis 2030 auf rund 65 Prozent steigen.

Betroffen sind von den Elektrifizierungsplänen auch Bahnstrecken in Uhulebensräumen. Die Leitungen stellen in doppelter Hinsicht eine potentielle Gefahr für größere Vögel dar. Zum einen können sie daran einem tödlichen Stromschlag erliegen und zum anderen durch Leitungskollision ums Leben kommen. Vor allem Eulen und Greifvögel nutzen die Trassenverläufe als Jagdgebiete. Der Bau von Oberleitungsanlagen erfordert deshalb die Anwendung der artenschutzrechtlichen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes, um die Gefahren auf ein nicht signifikant erhöhtes Tötungsrisiko zu begrenzen. Der Entwurf formuliert Maßgaben, die dieses sicherstellen sollen.

Die den Länderumweltministerien am 06. Januar gesetzte Frist zur Rückäußerung endete am 14. Januar 2025, also nach nur sechs Werktagen. Schon diese enge Fristsetzung für die kritische Durchsicht eines 12seitigen Dokuments mit hochkomplexen juristischen und technischen Regelungen ist höchst ärgerlich. Die Eile mag der Deutschlandgeschwindigkeit der gescheiterten Ampelkoalition geschuldet sein. Verlangt wären indessen Gründlichkeit und Sorgfalt. Daran hat es diese Regierung von Beginn an und von Grund auf fehlen lassen, was nicht unwesentlich zu ihrem Scheitern beigetragen hat.

Obgleich die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) am Entwurf nicht beteiligt wurde, hat sie ihn geprüft und schwerwiegende Mängel festgestellt. Defizitär ist bereits die Problembeschreibung. Das Problem beschränkt sich nämlich nicht allein auf die beklagenswerten Vogelverluste, sondern die von den Vögeln verursachten Kurzschlüsse verursachen beträchtliche wirtschaftliche Schäden am Leitungsnetz sowie Störungen des Bahnbetriebs; sie tragen so zu Verspätungen und Zugausfällen bei. Überdies können die brennend herabfallenden Vögel Brände auslösen. Diese Befundlage bleibt in der Problembeschreibung unerwähnt. Würde man auch sie berücksichtigen, würde der Vogelschutz bei der Elektrifizierung von Bahnstrecken möglicherweise mit größerer Sorgfalt verfolgt.

Mit der Beachtung der Maßgaben der geplanten Verwaltungsvorschrift soll ein signifikant erhöhtes Tötungsrisikos ausgeschlossen sein. Die EGE indessen hat Zweifel, ob die hierfür vorgesehenen Maßgaben genügen. Zweifel bestehen insbesondere bei zu elektrifizierenden Eisenbahnen in Europäischen Vogelschutzgebieten und in ihrem Umfeld, wenn dort stromschlag- oder leitungsanfluggefährdete Vogelarten vorkommen. Im Hinblick auf die in diesen Gebieten zu schützenden Vogelarten sind nämlich höhere Schutzanforderungen zu stellen als lediglich die Abwendung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos. In diesen Gebieten dürfen am Ausschluss einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen keinerlei Zweifel bestehen. Ob die beiden Bundesministerien diesen Unterschied bedacht haben, erscheint fraglich.

Mängel sieht die EGE auch in Details: Der Entwurf stuft die Kollisionsgefahr für Vögel an künftigen Bahnstromleitungen an unmittelbar angrenzenden Strukturen wie Waldränder, Baumreihen, Hangkanten oder Häuser, welche die Höhe der höchsten horizontalen Leitung erreichen, als gering ein. Diese Strukturen stellten eine ausreichende Überflughilfe dar, so die ministerielle Annahme. Die EGE indessen weist darauf hin, dass auch das Umfeld von Bahnlinien natürlichen wie landnutzungsbedingten Änderungen unterworfen ist. Beispielsweise können sich durch Baumfällungen, Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen, Witterungsereignissen oder Gebäudeabriss die Verhältnisse ändern, weshalb es eines zeitlich ungebrochenen Schutzes und ggf. zumindest der Kennzeichnung der Leitungen mit Vogelmarkern bedarf.

Zudem vermisst die EGE ausreichende Schutzmaßnahmen für in Felspartien entlang von Bahnlinien brütende Arten wie Uhu, Wanderfalke und Kolkrabe, welche die Felsen als Start- und Landepunkte nutzen und auf diese Weise die Gefahr von arten- und habitatschutzrechtlich relevanten Leitungsanflügen für Individuen dieser Arten steigt. Doch diese Arten finden in dem Entwurf keinerlei Erwähnung. Hier sollten ausreichende artspezifische Sicherheitsabstände definiert werden oder zumindest auf solche Situationen mit einem besonderen Prüfbedarf hingewiesen und mit konstruktiven Lösungen reagiert werden, fordert die EGE.