Am 24. September 2024 beginnt Deutschlands größter Naturschutzkongress, wie die Veranstalter den 37. Deutschen Naturschutztag ankündigen, der bis zum 28. September 2024 in Saarbrücken stattfindet und unter dem Motto steht „Europa Natürlich Verbunden“. Veranstalter sind der Bundesverband Beruflicher Naturschutz, das Bundesamt für Naturschutz, der Deutsche Naturschutzring und das Saarländische Umweltministerium. Die Veranstaltung böte Anlass und Gelegenheit für eine Bilanz des Naturschutzhandelns, eine die Akteure des Naturschutzes einbeziehende Fehlersuche und eine darauf aufbauende Strategiediskussion. Zu rechnen ist damit eher nicht, müsste dafür doch die Naturschutzpolitik der Regierungen von Bund und Ländern auf den Prüfstand, die für einen Großteil der Versäumnisse und Fehlentwicklungen im Naturschutz verantwortlich ist. Allerdings liegt der Naturschutz seit Jahrzehnten nicht selten in bündnisgrüner Verantwortung, so derzeit in zehn der sechszehn Bundesländern und überdies seit 2021 wie schon 1998 bis 2005 im Bund. Wer von grüner Regierungsverantwortung mehr Naturschutz erwartet als von anderen Parteien, ist möglicherweise enttäuscht. Für die tiefsten Einschnitte in das Naturschutzrecht sind ausgerechnet der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, die Bundesumweltministerin (beide Bündnis90/DieGrünen) und ist vor allem das Grün in der Ampel verantwortlich.
Auf ihr Betreiben hin wurden 2022 die Landschaftsschutzgebiete für Windenergieanlagen geöffnet, die Liste der an diesen Anlagen kollisionsgefährdeten Brutvogelarten auf 15 reduziert, artenschutzbasierte Abstands- und Untersuchungserfordernisse reduziert, die Beweislast umgekehrt, Zumutbarkeitsgrenzen für wirksame Schutzmaßnahmen und der generelle Vorrang der Windenergiewirtschaft vor dem Naturschutz durchgesetzt. Dies war nur ein Vorspiel: Im Anschluss werden Beschleunigungsgebiete für Windenergieanlagen, Solarparks und Stromautobahnen etabliert, in denen Umweltverträglichkeitsprüfungen und artenschutzrechtliche Prüfungen entfallen und allein auf Basis vorliegender aktueller Daten über Natur und Landschaft zu entscheiden ist. Vorgesehen sind im Konfliktfall vereinfachend nach Art und Umfang unbestimmte schadensmindernde Maßnahmen und Zahlungen in geringer Höhe in einen vom Bundesumweltministerium bewirtschafteten Artenschutzfond. Das ist nach dem Geschmack aller im Bundestag vertretenen Parteien von links bis rechts. Allerdings darf man zweifeln, ob andere Parteien mit derselben Chuzpe gegen den Naturschutz angetreten wären. Das Ende dieser Entwicklung ist noch nicht erreicht. Bund und Länder haben sich Ende 2023 auf einen „gemeinsamen Pakt für Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung“ geeinigt, der eine weitere Entrechtung des Naturschutzes erwarten lässt. Der Naturschutz ist auf der Verliererstraße; sie führt schnurstracks bergab.
Die Grünen haben damit, bis auf wenige Dissidenten in den eigenen Reihen, kein Problem. Die sinkende Zustimmung zu grüner Politik hat eher andere Gründe. Die Grünen können sich ihrer Gefolgsleute und Verbindungen in die großen Umweltverbände hinein weiterhin sicher sein. Katerstimmung und Katzenjammer gibt es nur an der Basis bei den Aktiven, welche mit den Folgen des Abbaus von Schutzvorschriften in Planungs- und Zulassungsverfahren konkret und unmittelbar konfrontiert sind. Das ist eine Minderheit, die Karawane aber zieht weiter – mit 1,5 Millionen Mitgliedern allein in NABU und BUND. Damit verfügen die beiden Verbände über weit mehr Mitglieder als alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. NABU und BUND sind wie 97 weitere Vereinigungen Mitglieder des Deutschen Naturschutzrings, dem etwa 11 Millionen Menschen zugerechnet werden. Der Deutsche Naturschutzring ist Mitveranstalter des Deutschen Naturschutztages. Dort dürfte sich Unmut über die Naturschutzpolitik von Bund und Ländern kaum artikulieren. Eine rote oder auch nur gelbe Karte zieht dort kaum jemand aus dem Ärmel. Proteste bleiben aus. Alles andere wäre eine Überraschung. Nicht wenige Akteure des Naturschutzes hängen am Tropf staatlicher Finanzierung oder im Schlepptau als alternativlos empfundener Regierungspolitik. Im Naturschutz fehlt es an Unabhängigkeit, Konfliktbereitschaft und Konfliktfähigkeit – und wohl auch an Vernunft und Verantwortung.
Die Frage, warum BUND und NABU so wenig Einfluss auf die Politik haben, stellten sich kürzlich auch Matthias Schreiber und Johanna Romberg in der Zeitung „der Freitag“. Klicken Sie bitte hier, wenn Sie den Beitrag lesen möchten.