Liebe Uhufreundinnen und -freunde,
wie in alten Zeiten begann Lotte am gestrigen 26.03. mit der Brut in der traditionellen Brutnische. Ganz entgegen dem, was wir für vernünftig halten würden, versucht es das Uhupaar erneut in der Brutnische, die seit dem Frühjahr 2008 mit unserer Kamera ausgestattet ist und in der ein Waschbär 2021 die beiden jungen Uhus fraß.
In diesem Jahr ist die Situation aber etwas anders als 2021. Meines Erachtens gibt es nun eine Chance für eine erfolgreiche Brut, obwohl das Paar die Gefahr, die von Waschbären für die Brut ausgeht, noch nicht vollständig realisiert haben dürfte. In diesem Jahr ist aber ein Zusammentreffen von Lotte und Waschbär im Nestbereich sehr wahrscheinlich: Behalten die Vierbeiner ihre übliche Besuchsfrequenz bei, werden sie nämlich im Nest auf die noch brütende Lotte stoßen. Einen Angriff werden sie wahrscheinlich kaum wagen. Lotte könnte jedoch die grundsätzliche Gefahr wahrnehmen und ihr Verhalten darauf abstimmen. Für eine erfolgreiche Aufzucht ihrer Jungen müsste jedoch auch Leo so gut und erfolgreich jagen, dass Lotte und ihre Küken ausreichend gut versorgt sind. Auch weniger Eier bzw. Küken würden diese Chance erhöhen. Mein Fazit: Ein Bruterfolg ist unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.
Kann man die Brutnische schützen?
Von Zusehern wird immer wieder vorgeschlagen, den Brutplatz mit einer Drahtkonstruktion zu umgeben. Ich halte so etwas aber nicht für praktikabel, auch für die Uhus für zu gefährlich und prinzipiell für fragwürdig. Ich möchte das gerne erläutern:
- Den Bereich der Brutnische können die Waschbären aus verschiedenen Richtungen erreichen. Ein 360 Grad umfassendes Bauwerk wäre nur mit sehr großem Aufwand in dem bewegten Gelände zu errichten und für Waschbären gleichwohl gut zu überwinden, denn sie sind behände Kletterer. Das Bauwerk würde einen großen Teil des jetzt natürlichen Felsens zu einer Art Gehege machen. Einen kleiner Zoo in einem Schutzgebiet zu errichten, widerstrebt mir, ganz abgesehen von den damit verbundenen behördlichen Genehmigungserfordernissen.
- Uhus verfangen sich immer wieder in menschengemachten Bauwerken. Einzelne Drähte, Drahtgeflechte und Netze sind Fallen, in denen sich Uhus verfangen und darin qualvoll verenden. Besonders umherstreifende Junguhus wären dieser Gefahr ausgesetzt. Eine Absperrung via Kamera rund um die Uhr gänzlich zu überwachen und dann rechtzeitig einen verfangenen Uhu zu retten, ist kaum leistbar. Ich kann eher damit leben, wenn ein Uhu von einem Waschbären erbeutet wird als dass er Opfer einer technischen Vorrichtung wird, ganz gleich, wie gut die dahintersteckende Absicht ist.
- Unsere Arbeit dient dem Schutz aller Eulen. Mit den begrenzten Ressourcen müssen wir einen möglichst großen Schutz bewirken. Ein zeitlich und finanziell besonders großer Aufwand für Leo und Lottes Bruterfolg würde zwangsläufig zu Lasten anderer Maßnahmen gehen. Mit dem Monitoring der Uhupaare in der Eifel erkennen wir an vielen Brutplätzen verschiedenste Gefahren, die größer sind und die es vordringlicher abzuwenden gilt. Wir müssen insofern immer das Ganze im Auge behalten und deswegen auch abwägen, wo was zu welcher Zeit vorrangig geschehen muss. Hierfür bitte ich um Ihr Verständnis.
Brutverlauf in der Burgruine
Innerhalb der nächsten 24 Stunden könnte das dritte Küken schlüpfen. Die beiden älteren Küken sind nun schon vielfach erfolgreich gefüttert worden, und langsam entwickelt sich eine Routine zwischen den kleinen blinden Geschöpfen und ihrer Mutter. Nahrung gibt es im Überfluss. Isolde nutzt diesen Luxus und verfüttert vorrangig die vordere Hälfte der Beutetiere. Darin stecken die Organe mit hohem Flüssigkeitsanteil und besonders vielen Nährstoffen. Die hintere Hälfte legt sie meist bei Seite.
Ich drücke allen Uhus die Daumen und wünsche Ihnen weiterhin schöne Beobachtungen.
Ihr Stefan Brücher