Im Juli 2022 hat der Gesetzgeber das Bundesnaturschutzgesetz grundlegend und weitreichend verändert. Kurz zuvor wurden die vorgesehenen Änderungen im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages in ungewöhnlicher Deutlichkeit kritisch behandelt. Mehrere Sachverständige hatten ausgeführt, dass die angestrebte Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem vorgelegten Gesetzentwurf kaum erreichbar sei. Als Grund hierfür wurden insbesondere erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union angeführt. Der Gesetzentwurf sei „von einer einseitigen Bevorzugung der Windkraftinteressen geprägt“, kritisierte beispielsweise Prof. Dr. Martin Gellermann den Entwurf. Nun ist ein von der „Naturschutzinitiative e. V.“ in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der im Umweltausschuss ungewöhnlich deutlich vorgetragenen Kritik auf den Grund gegangen.
Das Fazit des Gutachtens: „Die zahlreichen neuen Regelungen, die im Zuge der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes vom 20. Juli 2022 in Form von § 45 b BNatSchG und § 45 c BNatSchG in das Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen worden sind, sind weitestgehend nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Sowohl die Anzahl der zu identifizierenden Rechtsverstöße, als auch die Deutlichkeit überraschen, hat doch die obergerichtliche Rechtsprechung der hiesigen Verwaltungsgerichtsbarkeit und auch die Rechtsprechung des EuGH die von den Mitgliedstaaten zu beachtenden Maßgaben in ständiger Rechtsprechung ausgeformt und immer wieder bekräftigt. Die in der Anhörung im Umweltausschuss vorgebrachte Kritik, dass die Gesetzesnovelle ins völker- und unionsrechtliche Abseits führe und dass damit das Ziel des rechtssicheren Windenergieausbaus bei Beachtung des Artenschutzes bzw. des Biodiversitätsschutzes nicht erreichbar sei, kann nur bestätigt werden.“ Klicken Sie bitte hier, wenn Sie das Rechtsgutachten lesen möchten.
Prof. Martin Gellermann hatte bereits zuvor dem Gesetzgeber ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: Genehmigungen auf Basis des neuen Gesetzes seien rechtlich angreifbar und böten den Investoren nicht die nötige Rechtssicherheit, sagte der renommierte Jurist dem Magazin Riffreporter. Gewinner dürften letztlich weder der Artenschutz noch die Windenergiewirtschaft, sondern die Anwälte sein, für die das neue Recht wie ein Arbeitsbeschaffungsprogramm wirke.
Diese Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes geht vor allem auf das Betreiben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und der von ihm in dieses Ministerium berufenen Akteure zurück. Die Gesetzesänderung hat Habecks Beliebtheitswerte nicht schmälern können. Dazu bedurfte es erst seiner Einlassungen über das Wesen wirtschaftlicher Insolvenz.