Am Niederrhein ist kürzlich ein Steinkauz vom Habicht geschlagen worden. So etwas kommt vor. Ralf Kistowski von der EGE fand frühmorgens die Überreste einer noch frischen Kauzrupfung in der Nähe des Habichtnestes (s. unten) und konnte dann sogar noch die Szene im Bild festhalten, als der Habicht den Kauz an seine Jungvögel verfütterte (s. oben).
Der EGE ist bekannt, dass in nächster Nähe zum Nest zeitgleich auch eines der wenigen lokalen Steinkauzpaare in einem hohlen Birnbaum Junge aufzog. Die Wahrscheinlichkeit war daher groß, dass das Opfer der Habichte einer der beiden versorgenden Altvögel war, zumal die Rupfung ziemlich genau zwischen Habichtnest und Steinkauz-Bruthöhle lag. Was tun in einem solchen Fall? Den Dingen ihren Lauf lassen, Natur Natur sein lassen und nicht eingreifen oder doch? Ein Altvogel allein dürfte es kaum schaffen, die jungen Steinkäuze aufzuziehen. Schon gar nicht, wenn allein das Steinkauzmännchen übrig geblieben ist.
Ralf Kistowski und Bernd Bäumer inspizierten mit einer speziellen Endoskopkamera die Bruthöhle im Birnbaum. Darin stießen sie auf drei junge Steinkäuze (nachstehendes Bild). In Abstimmung mit dem Grundbesitzer entschlossen sich die beiden EGE Mitarbeiter nach sorgfältiger Prüfung von Für und Wider, die drei jungen Käuze der Bruthöhle zu entnehmen, tierärztlich untersuchen zu lassen und mit Nahrung zu versorgen. Inzwischen sind die drei in einer guten Verfassung; sie wurden auf andere Steinkauzbruten mit ähnlich alten Jungvögeln und gutbestückten Mäusedepots verteilt. Die Voraussetzungen, dass die Adoption gelingt, sind sehr gut. Vögel können nicht zählen und nehmen anders als die meisten Säugetiere auch keinen Fremdgeruch oder anderes am Nachwuchs wahr, so das eigentlich fremde Jungvögel von ihnen gar nicht als fremd wahrgenommen werden (was auch der Kuckuck für sich zu nutzen weiß).
Den übriggebliebenen Steinkauz-Altvogel wird der Verlust seines Partners und auch der Jungvögel vermutlich nur kurze Zeit irritieren. Es bleibt zu hoffen, dass er schnell einen neuen Partner findet und das Steinkauzrevier als Brutplatz noch lange erhalten bleibt.
Ralf Kistowski hat noch eine Besonderheit registriert: „Ich beobachte die Habichte jetzt bereits seit einigen Wochen. Dabei konnte ich beobachten, wie Füße anderer geschlagener Vogelarten regelmäßig mit verfüttert wurden. Meine Vermutung ist (wobei ich allerdings nur ein Steinkauz-Beinchen finden konnte), dass der Habicht die Beine mit den nadelspitzen Krallen der Eule abtrennt, um ein Verletzungsrisiko für seine Jungvögel auszuschließen. Anders kann ich mir das Verhalten nicht erklären. Immerhin verliert er auf diese Weise einen guten Teil seiner Beute.“