Die Zustimmungswerte für die Ampelkoalition haben nach 18 Monaten einen Tiefpunkt erreicht. Gewählt wurde sie ohnehin nur von 38,25 Prozent der Wahlberechtigten. Das schwindende Vertrauen in die Bundesregierung hat viele Gründe. Dazu zählen nicht zuletzt das Agieren des Wirtschaftsministers und die Vorgänge um das Heizungsgesetz. Es bedurfte einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die übereilte Durchsetzung dieses Gesetzes zu stoppen. Wums! Die Ampel weiß offenbar nicht, wie man Gesetze rechtmäßig verabschiedet.

Auf einem anderen Politikfeld agiert die Bundesregierung hingegen weithin unbehelligt und ungebremst, aber keineswegs weniger fatal: Die „Fortschrittskoalition“, wie sich das Dreierbündnis aus SPD, Bündnisgrünen und FDP selbst bezeichnet, hat bereits im letzten Jahr mit zahllosen Gesetzesänderungen natur- und artenschutzrechtliche Vorschriften aufgehoben oder abgeschwächt. Dazu zählen beispielsweise die Öffnung von Landschaftsschutzgebieten für Windenergieanlagen, die Reduzierung der Anzahl der beim Ausbau der Windenergiewirtschaft zu beachtenden kollisionsgefährdeten Vogelarten, die drastische Absenkung von Prüfradien um die Brutplätze dieser Arten, die Erleichterungen für das Unterlaufen des Artenschutzes, die Verankerung des Vorranges der Windenergiewirtschaft vor dem Naturschutz, die Bindung von Naturschutzmaßnahmen an fragwürdige Zumutbarkeitsgrenzen, die Einführung einer Abgabe für Ausnahmen vom artenschutzrechtlichen Tötungsverbot sowie ein genereller Verzicht auf Umweltverträglichkeits- und artenschutzrechtliche Prüfungen für energiewirtschaftliche Pläne und Projekte. Es ist ein vor allem vom Wirtschaftsministerium dominiertes Streichprogramm nie gekannten Ausmaßes. Der frühere Staatssekretär Patrick Graichen, den Habeck zu entlassen sich aus anderen Gründen genötigt sah, und weitere Personen aus dem grünen Netzwerk Agora Energiewende haben daran wesentlichen Anteil.

Während die Wärmegesetzgebung monatelang Aufreger und fortlaufend Gegenstand von Talkshows war, vollzog der Gesetzgeber vor einem Jahr den brachialen Abbau des Naturschutzrechts abseits medialer Aufmerksamkeit und ohne großen Widerstand. Das geschah verglichen mit dem jetzt gestoppten Gesetz unter noch größerem Zeitdruck und mit noch heißerer Nadel, was einen Teil der handwerklichen Fehler, groben Schnitzer, Fallstricke und Rätsel erklärt, die sich durch die Beschleunigungsgesetzgebung ziehen. Die Medien haben den regierungsamtlich gewünschten Eindruck verbreitet, dass zu der Auflösung der Kontroverse zwischen Windenergiewirtschaft und Naturschutz etwas habe geschehen müssen und die Regierung endlich genau das Richtige auf den Weg gebracht habe. Die Folgen der in „Deutschlandgeschwindigkeit“ überhastet und unbedacht herbeigeführten Änderungen sind fatal. Davon hat außerhalb der kleinen Gruppe der professionell mit dem Naturschutz befassten Personen kaum jemand eine Vorstellung. Die Naturschutzvereinigungen, die selbst den entfesselten Ausbau der Windenergie gefordert und es an kritischer Distanz zu Politik und Wirtschaft haben fehlen lassen, sollten sich fragen, welchen Anteil sie an Ausmaß und Wucht des Kahlschlages haben.

Wer aus Naturschutzkreisen Hoffnungen in eine bündnisgrüne Regierungsverantwortung gesetzt hatte, reibt sich enttäuscht die Augen. Der Katzenjammer ist groß; doch er kommt spät, für eine Korrektur zu spät. Die Bundesregierung kann darauf vertrauen, ihren für die Rettung des Klimas als alternativlos ausgegebenen Anti-Naturschutzkurs unbehelligt fortsetzen zu können – an Land, in der Luft, zu Wasser und vor Rügen, ganz gleich wie fragwürdig Ziel und Weg sind. Die Furcht der Deutschen vor der Erderhitzung macht’s möglich.