Schleiereule (Tyto alba)

Brutplätze in Scheunen und Kirchtürmen

Schleiereulen bevorzugen exponierte Brutplätze in einzeln stehenden Gebäuden wie Kirchtürme, Burgen oder Scheunen. Diese Brutplätze sind den Schleiereulen heute vielerorts versperrt. Das gilt in besonderer Weise für Kirchtürme und kirchliche Dachböden. Die Abwehrmaßnahmen gelten eigentlich den Tauben und den mit ihnen verbundenen Verschmutzungen. Die Maßnahmen treffen aber ebenso die Schleiereulen. Dabei sind auch Maßnahmen möglich, welche Tauben von den Gebäuden fernhalten, Schleiereulen indessen nicht ausschließen.

Die EGE bemüht sich sowohl auf der Ebene der Bistümer und Landeskirchen als auch bei den Pfarrern und Kirchenvorständen an Ort und Stelle um die Wiederherstellung oder das Bereitstellen neuer Brutplätze in kirchlichen Gebäuden. Ebenso wendet sich die EGE an die Eigentümer anderer Gebäude, die als Brutplätze der Schleiereule in Frage kommen. Hierzu zählen insbesondere landwirtschaftliche Bauten. Davon profitieren auch andere Gebäude bewohnende Tiere wie Turmfalke, Dohle, Mauersegler oder Fledermäuse.

Die Beratungsaufgaben der EGE zum Schutz der Schleiereulen umfassen sowohl die allgemeine Aufklärung der betreffenden Organisationen, Berufsgruppen und Personen als auch die praktische Hilfe bei der Suche nach baulichen Lösungen im Einzelfall (z. B. die Öffnung von Kirchtürmen, das Anbringen von Nisthilfen oder die Sicherung von Brutplätzen bei Gebäudesanierungen).

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Naturschutzgerechte Landwirtschaft

Ferner wendet sich die EGE an die Landwirtschaft und einzelne Landwirte, um sie für eine Landbewirtschaftung zu gewinnen, welche den Schutz der Schleiereule berücksichtigt. Schleiereulen profitieren von der Erhaltung und Vermehrung des Grünlandes, naturbetonter Raine und Säume entlang von Gräben und Wirtschaftswegen oder naturnaher Wald-Feldgrenzen. Zudem bedarf es zum Schutz der Schleiereule einer Landwirtschaft, die auf Biozide, vor allem auf chemische Mittel zur Nagerbekämpfung, verzichtet.

Eine beträchtliche Gefahr stellt der Straßen- und Schienenverkehr dar. Zahllose Schleiereulen kommen durch Kollision mit Kraftfahrzeugen zu Tode. Deshalb arbeitet die EGE auch mit den für den Straßen- und Schienenverkehr zuständigen Behörden und Stellen zusammen. Mit einer umsichtigen Freiflächengestaltung oder Bepflanzung im Umfeld der Verkehrswege, kann das Unfallrisiko für Schleiereulen zumindest gemindert werden.

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Der folgende Beitrag von EGE-Geschäftsführer Wilhelm Breuer in der Zeitschrift „Nationalpark“ (Nr. 4/2006) gewährt einen Einblick in die Existenzprobleme der anmutigen Schleiereule. Wir veröffentlichen diesen Aufsatz an dieser Stelle mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift „Nationalpark“.

Zuflucht in der Glockenstube

Die Kirche ist das Haus Gottes und des Gebetes – und wenn das Umland ländlich ist und die Kirchenleitung ein Herz hat – auch eine Zuflucht für Schleiereulen.

Während die Schleiereule in Südeuropa und in Schottland häufig in Felshöhlen brütet, in England auch in Baumhöhlen, hat sie sich in Mitteleuropa sehr eng den Menschen angeschlossen. Hier bewohnt sie zwar nicht nur Kirchen und Kirchtürme, aber deren Inneres doch mit einer gewissen Präferenz. Die niederländischen Nachbarn konnten für den Nachtvogel mit dem herzförmigen Gesichtsschleier keinen treffenderen Namen als „Kerkuil“ finden.

In ungestörten Schlupfwinkeln des Kirchturmes verbringen die Schleiereulen den Tag, und hier brüten sie auch. Der Turm muss dazu einen möglichst dunklen, hoch gelegenen, geräumigen Platz bieten. Ein Platz, der es ihnen erlaubt, mit Einbruch der Dunkelheit ungehindert ins offene Land zu fliegen, es nach Feldmäusen und Maulwürfen abzusuchen und unbehelligt in den Turm zurückzukehren, wenn der Morgen dämmert.

Turmfalken hingegen genügt eine Aussparung in der Fassade oder einem Strebepfeiler. Sie müssen nicht ins Innere. Auch Wanderfalken brüten eher auf und weniger in den Kathedralen der Christenheit – z. B. im filigranen gotischen Maßwerk.

Wohnungsnot

Trotz Glaubenskrise ist die Kirche Gott sei Dank im Dorf geblieben, so dass es den Schleiereulen an Brutplätzen in Turmhauben, Dachgauben und Glockenstuben nicht fehlen sollte – auch in Deutschland nicht. Aber vielerorts sind die kirchlichen Dachböden verschlossen, die Glockentürme aller Stilepochen vergittert und verbarrikadiert. Katholische wie evangelische.

Die Zugangsverweigerung gilt nicht eigentlich den Schleiereulen, sondern verwilderten Haustauben und ihren aggressiven Hinterlassenschaften. Davor möchten Pfarrer und Kirchvorstände sakralen Stein und Mörtel geschützt sehen – aus einsichtigen Gründen, der Denkmalpflege wegen und der Ordnung halber. Aus denselben Gründen sucht man sie von profanen Bauten wie Schlössern und Burgen, auch bevorzugte Nistplätze der Schleiereulen, fernzuhalten. Dabei lassen sich mit Überlegung und gutem Willen für Schleiereulen Brutplätze schaffen, die für Tauben unattraktiv sind.

Die Hochzeit der Sanierung und Reinlichkeit verpflichteter Baumaßnahmen begann in Westdeutschland in den siebziger Jahren und setzt sich seit dem Ende der DDR im Osten fort.

Der Sanierungswille erreichte den Kirchturm meines Heimatdorfes um das Jahr 1970. Die Glocken, welche seit 1417 zur Heiligen Messen gerufen hatten und der Gier zweier Weltkriege nach Bronze entgangen waren, behielten ihren Platz in der Glockenstube, hingen aber jetzt nicht mehr im Gebälk, sondern an einem Träger aus Stahl. Das Läuten der Glocken war nun eine Sache elektrischen Stroms, nicht mehr der Muskelkraft. Um die Leitungen und das Drum und Dran vor Verschmutzung zu schützen, erhielten die bis dahin unverbauten Turmöffnungen feinmaschige Stahlgitter, welche den Schall nicht aufhalten, aber Tauben wie Eulen weder herein- noch hinauslassen. Als der gute Papst Johannes XXIII. die Fenster zur Welt gerade erst geöffnet hatte, senkte sich in der Höhe des Kirchturms ein eiserner Vorhang.

Ich war zu der Zeit noch zu jung, um mich für das Los der Eulen zu interessieren. Erst einige Jahre später entdeckte ich versehen mit dem Segen des Pastors und dem Turmschlüssel des Küsters, was die Baumaßnahmen im Turm angerichtet hatten: Unter den Glocken lag eine mumifizierte Schleiereule im unversehrten Federkleid. Vermutlich hatte sie den Turm während der Baumaßnahmen nicht mehr rechtzeitig verlassen können und war eingeschlossen Hungers gestorben. Ein Opfer moderner „Kirchturmpolitik“.

So war nach mehr als einem halben Jahrtausend die Zeit der Schleiereulen in der Dorfkirche zu Ende gegangen. Hier hatten sie unbehelligt gehaust. Mit einer Unterbrechung 1945, als nach Kriegseinwirkung ein Teil des Turms einstürzte. Aber bald danach waren die Schäden behoben worden. Als mich im April 1960 die Eltern auf dem Arm zur Taufe in das Erdgeschoss des Turmes trugen, verschliefen hundert Stufen darüber wohl Schleiereulen den Tag mit der Aussicht auf eigenen Nachwuchs. Im April beginnen Schleiereulen gewöhnlich mit der Brut. So und im Nachhinein gesehen hatte das Papstwort, „Wer glaubt ist nie allein“, damals noch eine ganz andere Bedeutung.

Seit vielen Jahren bemühen sich Vogelschützer bei Bistümern und Landeskirchen für Schleiereulen um „Kirchenasyl“ – oft mit Erfolg. Manchmal haben die klerikalen Umweltbeauftragten diese Sache zu ihrer eigenen gemacht, gewissermaßen zur Diakonie an der Schöpfung. Naturschutz ist eine Frage des Herzens, um nicht zu sagen der Liebe.

Der Turm der Heimatpfarrkirche ist den Schleiereulen immer noch versperrt. Die Ruine des nahen Schlosses nicht. Sie ist zwar gerade für einige Millionen Euro saniert worden, aber ohne den Brutplatz der Eulen zu zerstören. Für den Schutz des Gemäuers als Heimstatt der Fledermäuse, Dohlen und des Efeus, das sich der verfallenen Landesherrlichkeit schon in napoleonischen Tagen angenommen hatte, reichten indessen weder Fürsprache noch Einsicht, auch der Verweis auf die Vorschriften des Naturschutzgesetzes nicht.

Mäuse auf Lebensmittelkarten

Schleiereulen fehlt es aber nicht allein an Brutplätzen. Gerade in harten Wintern, wenn der Schnee lange und hoch liegt, sind Mäuse schwer erreichbar. Die meisten Schleiereulen sterben während eines solchen Winters. Die Verluste gleichen sie unter günstigen Bedingungen in wenigen Jahren aus. Männchen und Weibchen sind schon vor dem Ende des ersten Lebensjahres geschlechtsreif. In Jahren mit Feldmaus-Gradationen ist der Bruterfolg hoch, kommt es zu großen Gelegen und bei anhaltendem Mäusereichtum häufig zu einer zweiten, ausnahmsweise sogar zu einer dritten Brut. So kann ein einziges Paar in einem einzigen Jahr fünfzehn und mehr Junge aufziehen. Andererseits kann bei Mäusemangel die Brut ganz ausfallen.

Das Getreide, das vor der Erfindung des Mähdreschers in Garben in Scheunen lagerte und erst nach der Ernte gedroschen wurde, zog Mäuse in heute nicht vorstellbarer Menge an. Deshalb ermöglichten Aussparungen in den Giebeln von Bauernhöfen und Scheunen – so genannte „Uhlenfluchten“ – Schleiereulen den Zugang ins Innere. Ein Umstand, der nicht nur die Getreideernte schonte, sondern die Eulen im Winter am Leben erhielt.

Die Zeit der Uhlenfluchten ist vorbei. In den landwirtschaftlichen Bauten von heute sind Mäuse so arm wie Kirchenmäuse – wenn sie überhaupt hineingelangen. Moderne Viehställe zum Bespiel sind hermetisch abgeriegelt nicht nur vor Mäusen – auch vor Viren und den neugierigen Blicken der Verbraucher. Die große Unordnung um Höfe und Häuser, das Kleinvieh auf dem Anger, der Schuttplatz und alles was sonst noch Nager anzog, ist längst untergegangen.

Die Flurbereinigung hat die keinen Feldparzellen der vielen Grundeigentümer, die zahllosen Raine und die ganze Vielfalt von einst zu maschinengerecht großen Flurstücken zusammengeschmolzen. Angebaut werden nur noch Gerste, Weizen, Rüben und vor allem Mais. Das Tagwerk der Bauern bemisst sich nicht mehr nach Morgen. Und dank modernster Erntetechnik sind die Felder in Windeseile restlos abgeerntet. Den Mäusen bleiben weder Zeit noch Körner, um sich Vorrat für den Winter zu verschaffen.

Überhaupt: Das Leben ist rar auf dem Felde. Seit den sechziger Jahren vertrauen die Bauern auf durchgreifende chemische Mittel im Kampf gegen die Konkurrenz ums Korn, nicht mehr auf den barmherzigen Gott. Das Gedeihen der Früchte des Feldes scheint selbst in katholischer Gegend mehr abzuhängen von der Lieferung der chemischen Industrie als vom Segen der Bildstöcke und dem frommen Bittgang durch die Flur.

In Ostdeutschland hatten immerhin unvollkommene Maschinen, vielleicht auch sozialistischer Schlendrian in den Produktionsgenossenschaften unfreiwillig viel von der Ernte auf den Felder zurückgelassen. Beschaffungsprobleme bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und weitere Umstände der Mangelwirtschaft boten trotz ausgeräumter Feldfluren – dem augenfälligsten Merkmal sozialistischer Agrarwirtschaft – für Schleiereulen und andere Mäusevertilger häufig günstigere Existenzbedingungen als in Westdeutschland. Dort wird der bäuerliche Familienbetrieb als agrarpolitisches und nicht zuletzt auch naturschutzpolitisches Leitbild bis heute leidenschaftlich beschworen. Vom Preisdruck und dem Prozess der Wachsens oder Weichens profitieren zwar viele – Schleiereulen indessen nicht. Die Anpassung der Landbewirtschaftung in Ostdeutschland nach 1990 an das westdeutsche Niveau hat dann binnen weniger Jahre die Biotop- und Habitatbedingungen für die ostdeutsche Vogelwelt, vor allem Mäusejäger, drastisch verschlechtert. Wenigstens in dieser Hinsicht ist die Deutsche Einheit vollendet.

Manchmal begünstigt die Monotonie die Maus – etwa im März/April in den fruchtbaren, von der Zuckerrübe dominierten Börden. Wenn das Rübensaatgut in den Boden kommt, kommt die Zeit der Mäuse und der Eulen. Doch die Landwirtschaft setzt nicht auf die fliegende Mausefalle, sondern dezimiert die Nager mit Gift. Die eingesetzten Mittel dürfen nur in die Gänge der Nager gelegt werden. Wer aber kann ausschließen, dass die Mäuse mit Vergiftungserscheinungen das Erdreich verlassen und dort zur leichten Beute der Eulen werden? Die für die Zulassung der Mittel verantwortlichen Behörden stellen ein solches Sekundärvergiftungsrisiko regelmäßig in Abrede – allerdings weniger mit Argumenten als vielmehr, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Aus die Maus.

Tod am Straßenrand

Wenn die Schleiereule abends lautlos aus dem Turm fliegt, folgt sie gerne den Feldrainen, Wegsäumen und Waldrändern. Hier lassen sich noch am ehesten Mäuse fangen, dösende Feldsperlinge und andere Kleinvögel schlagen – auch im Winter.

Gerade dort, wo das Netz der naturnahen Biotope zerrissen ist und solche Biotope gänzlich fehlen, zieht es die Schleiereulen an den Rand der Straßen, Ortsumgehungen und Autobahnen. Die Aussicht auf die Schermaus im Straßengraben und die Spitzmaus am Fahrbahnrand bezahlen ungezählte Schleiereulen unversehens mit dem Aufprall auf den rasend schnellen Verkehr, in dessen Sog die nur etwas mehr als dreihundert Gramm schweren Vögel allzu leicht geraten.

Wie viele Schleiereulen hatte ich Jahr um Jahr in der Frühe tot auf dem Standstreifen der Autobahn A 7 zwischen Hannover und Hildesheim liegen sehen? Und wie viele nicht, weil Füchse, Marder und Greifvögel vor mir unterwegs waren. Die Straße trifft Schleiereulen unterschiedslos. Wie anders der Winter: Im Dienst der Evolution begnügt er sich mit den Schwachen.

Dabei ist die Schleiereule ein Muster der Anpassung. Sie ist ein wahrer Kosmopolit. In mehr als 30 Unterarten bewohnt sie alte und neue Welt, Kanaren und Komoren, Indien und Indonesien, Timor und Tonga – und den Nahen Osten. Als Hieroglyphe fand sie den Weg in die Papyri und auf die Obelisken im alten Ägypten. Das Kornland am Nil hatte den praktischen Nutzen der Schleiereule geschätzt.

Mitunter wandeln sich die Gründe für die Aufmerksamkeit fürs Tier. Unter den im Irak stationierten britischen und US-amerikanischen Soldaten sind einige „Birder“, welche ihre Vogelbeobachtungen festhalten und in das weltweite Netz stellen. Darunter Fotos von Schleiereulen auf dem rasierklingenscharfen Stacheldraht der Armee. Im Lande Ur sind sie vielleicht aufgeschreckt von den vielen Detonationen auch am Tage aktiv. Eulen sind eben nicht nur Symbol der Weisheit, sondern auch des Todes. So haben die entsandten Streitkräfte zwar keine Massenvernichtungswaffen entdeckt, aber ganz nebenbei „the iraqi birds“.

Ob im Zweistromland, zwischen Rhein und Oder und in anderen Weltgegenden: Schleiereulen haben schon bessere Tage und Nächte gesehen. Vielleicht gar die Heilige Nacht im Stall von Bethlehem. Mehr Grund für die Herberge im Kirchturm kann es nicht geben.