Erneut ist ein Uhu an einem unzureichend gesicherten Mittelspannungsmast ums Leben gekommen (s. Foto oben). Der Vorfall ereignete sich im Mai in dem zum Schutz von Uhus eingerichteten Europäischen Vogelschutzgebiet „Unteres Mittelrheintal“. Ein Förster hatte den Vogel gefunden und die Naturschutzbehörde verständigt. Diese verständigte Stefan Brücher von der EGE. Brüchers schlimmste Befürchtung bestätigte sich: Der 2.860 g schwere Uhu mit Brutfleck erwies sich als Weibchen. In 300 m Entfernung fand Brücher die beiden Jungvögel des Uhus und veranlasste sogleich das Zufüttern der beiden, denn das Uhumännchen allein kann deren Ernährung kaum bewältigen.

Die weiteren Details des Falles offenbaren exemplarisch die Tragik des Vogelschutzes an Mittelspannungsmasten:

An dem Todesmast waren auf Drängen der EGE bereits vor mehr als 20 Jahren Entschärfungsarbeiten durchgeführt worden. Damals waren diese noch kein gesetzliches Muss. Auch gab es für die Entschärfungsmaßnahmen noch keine verbindlichen Ausführungsbestimmungen. Wie bei zahlreichen anderen Masten wurden an dem Mast keine längeren Isolatoren eingebaut, sondern lediglich sogenannte Büschelabweiser montiert. Diese sollen Vögel von der Landung auf gefährlichen Bauteilen abhalten. Sonderlich wirkungsvoll sind Büschelabweiser nicht, wie zahlreiche Fälle verunglückter Uhus und Störche an solchermaßen behandelten Masten belegen. Deshalb standen Büschelabweiser bereits in den 1980er Jahren in der Kritik. Weil der Einbau der Büschelabweiser aber vergleichsweise kostengünstig ist, wurden sie tausendfach montiert – bis die Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten sie 2011 amtlich als untauglich einstufte. Das Nachrüsten der betreffenden Masten lehnen die Netzbetreiber ab. Der Todesmast weist eine weitere Schwachstelle auf: Einer der seinerzeit montierten Vogelabweiser wurde an der falschen Stelle angebracht, nämlich gut 25 cm von der eigentlichen Gefahrenstelle entfernt (s. Foto unten; der rote Pfeil markiert die falsche, der grüne Pfeil die richtige Stelle). Vermutlich wurde dieser Umstand dem Uhu zum Verhängnis. Ein Jahr zuvor ist ein Uhu aus demselben Gebiet an einem anderen unzureichend gesicherten Mast ums Leben gekommen.

Todesmast © EGE

Wie alle anderen Mittelspannungsmasten wurde wohl auch der Mast des neuerlichen Falles in der Vergangenheit alle drei bis fünf Jahre vom Netzbetreiber auf Vogelschutzmaßnahmen und eventuelle Mängel hin angesehen. Die Kontrolleure hatten insofern mehrmals die Gelegenheit, die Fehler zu erkennen und zu beheben. Stefan Brücher dazu: „Meiner Erfahrung nach achten die Netzbetreiber bei den Kontrollen zu wenig auf die entscheidenden Details. Nur wenn große Schutzkappen verloren gegangen sind, wird nachgebessert. Handwerkliche Montagefehler werden oft jahrzehntelang nicht korrigiert. Keine Behörde führt Kontrollen durch, nur die EGE schaut genauer hin.

So steht der Schutz der Uhus selbst in den zu ihrem Schutz eingerichteten Schutzgebieten oftmals nur auf dem Papier. Anfang 2023 hat sich die EGE mit detaillierten Vorschlägen an die Naturschutzbehörde gewandt, Missstände in den 24 Teilflächen des Vogelschutzgebietes „Unteres Mittelrheintal“ abzustellen. Diese Vorschläge betreffen auch Mittelspannungsmasten. Umweltministerium, Vogelschutzwarte und EGE haben dazu Gespräche vereinbart. Die EGE drängt Netzbetreiber und Behörden, zumindest im 3 km-Radius um Uhubrutplätze unverzüglich für vogelsichere Masten zu sorgen. Meistens wird aber erst nachgebessert und auch nur der betreffende Mast, wenn ein Uhu ums Leben gekommen ist. Schon vor zehn Jahre hatte der örtliche Netzbetreiber lauthals „den flächendeckenden Vogelschutz an Mittelspannungsmasten“ als erreicht verkündet.