Stefan Brücher und ihn unterstützende Personen haben in der diesjährigen Uhu-Brutsaison in der Eifel 292 Habitate auf die Anwesenheit von Uhus kontrolliert. 236 dieser Habitate waren nachweislich von Uhus besiedelt. Das sind neun mehr als im Vorjahr. Im Jahr 2022 haben 144 Paare mit einer Brut begonnen; das sind 42 weniger als 2021. Von den 144 begonnenen Bruten wurden 29 aufgegeben. Das sind 20 Prozent und damit 6 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Durchschnitt beläuft sich die ermittelte Anzahl der Jungvögel je erfolgreiche Brut auf 1,99. Im Vorjahr lag der Wert bei 2,12. Während 2021 157 Bruten erfolgreich waren, waren es 2022 nur 115. Es gab fünf Bruten mit je vier, 21 Bruten mit je drei, 53 Bruten mit je zwei Jungvögeln und 32 Bruten mit je einem Jungvogel. Die Jungenzahl von vier Bruten ließ sich nicht feststellen. 181 der hochgerechneten 229 Jungvögel wurden von Stefan Brücher bei 85 Beringungen beringt.

Die geringe Anzahl begonnener und die hohe Anzahl aufgegebener Bruten dürfte weniger dem Witterungsverlauf geschuldet sein, denn während der Brutzeit gab es kaum Wetterextreme, die sich auf den Brutverlauf hätten besonders negativ auswirken können. Den Grund für den verminderten Bruterfolg sieht Stefan Brücher eher in der Begrenzung der Nahrungsressourcen.

Von den im Jahr 2022 registrierten Brutaufgaben wurden nachweislich zwei durch Felsstürze, je eine von Fuchs, Nilgänsen, Mufflons und Waschbären verursacht. Viele der übrigen Brutaufgaben betrafen Habitate, die vom Waschbär besiedelt sein könnten mit für Waschbären gut erreichbaren Uhubrutplätzen. Inwieweit der Waschbär ein ernsthafter Faktor hinsichtlich der Brutverluste ist, bleibt spekulativ, ist aber vor dem Hintergrund der starken Ausbreitung des aus Nordamerika stammenden Raubtiers durchaus plausibel. Erwachsene Uhus sind in der Lage, Brutplätze und Jungvögel erfolgreich gegen Waschbären zu verteidigen. Dafür spricht auch der Fund eines toten Waschbären unterhalb eines als Uhubrutplatz genutzten Felsens in der Nordeifel. Andreas Böhm hat einen eindrucksstarken Angriff eines Uhus auf einen Waschbären an einem Uhubrutplatz in Sachsen dokumentiert und die Aufnahme ins Internet gestellt.

Mit der Beringung der jungen Uhus endet das Uhumonitoring zumeist. Verluste, die sich in der restlichen Nestlingszeit ereignen und beispielsweise von Waschbären verursacht sein könnten, bleiben gewöhnlich unentdeckt. Übrigens haben die Uhus an dem mit einer Webcam ausgerüsteten Felsen in der Nordeifel in diesem Jahr einen Brutplatz gewählt, der von Waschbären nicht erreicht wurde. Hier wurden in diesem Jahr zwei Uhus flügge. Im Jahr zuvor hatte ein Waschbär zwei junge Uhus vor der laufenden Webcam getötet.

Größere Sorgen als der Einfluss von Waschbären auf die Uhupopulation bereitet Stefan Brücher der unzureichende Umrüstungsstand von Mittelspannungsmasten im Gebiet der Eifel. Bereits Ende 2012 hatte den gesetzlichen Bestimmungen nach jeder vogelgefährliche Mittelspannungsmast in Deutschland entschärft sein müssen. Heute, zehn Jahre später, ist die Situation immer noch höchst unbefriedigend: Im Jahr 2022 sind in Rheinland-Pfalz nachweislich zwei Uhus an unzureichend gesicherten Mittelspannungsmasten durch Stromschlag ums Leben gekommen. Im Herbst 2022 hat Stefan Brücher 251 Mittelspannungsmasten auf rheinland-pfälzischem Gebiet kontrolliert. 69 davon haben sich bei den Kontrollen als vogelgefährlich bzw. vorschriftswidrig herausgestellt. Das ist mehr als jeder vierte Mast! Ein unfassbares Ergebnis, klagt Stefan Brücher, hatte der Gesetzgeber doch bereits 2002 die Netzbetreiber zur Umrüstung verpflichtet. Die den Netzbetreibern hierfür gesetzte Frist war 2012 abgelaufen. Die EGE fragt sich, was angesichts eines solchen Politik- und Verwaltungsversagens von den „ambitionierten“ Transformationsankündigungen der deutschen Ampelkoalition auf dem Gebiet der Energiewirtschaft zu halten ist, wenn nach 20 Jahren nicht einmal die Umrüstung von Masten im bestehenden Mittelspannungsnetz erreicht ist.