Am Hildesheimer Dom haben in diesem Jahr erstmals seit 2014 keine Uhus gebrütet. Zwar war im März ein Uhupaar am Dom beobachtet worden, das auch den traditionellen Brutplatz über dem Kreuzgang inspizierte, aber zu einer Brut am Dom kam es nicht. Umso größer war die Überraschung, als schließlich Mitte Mai im Turm der Hildesheimer Lambertikirche ein etwa vier Wochen alter Jungvogel zusammen mit einem Altvogel aus der Öffnung eines Falkenkastens in etwa 50 m Höhe ins Freie schaute (s. Foto oben). Später zeigte sich dort noch ein zweiter Jungvogel. Die Lambertikirche liegt etwa 500 m vom Dom entfernt.
Für Fachleute war rasch ersichtlich, dass dieser Brutplatz und dessen Umfeld für junge Uhus sehr gefährlich ist: Der Kasten ist extrem klein, so dass die jungen Uhus ihn vermutlich sehr frühzeitig würden verlassen müssen. Der Turm ist so steil und glatt, dass er den jungen Uhus beim Verlassen des Kastens keinerlei Halt bieten würde mit der Gefahr eines unkontrollierten Absturzes. Auch fehlt es im Umfeld des Brutplatzes an geeigneten Aufenthaltsmöglichkeiten auf dem Kirchendach. Sollten die Uhus unverletzt den Erdboden erreichen, würden sie sich in einem ganz und gar städtisch geprägten Milieu, auf Straßen und einem Platz ohne jeden Rückzugsort befinden. Glücklicherweise blieben die Uhus bis etwa zur achten Lebenswoche im Kasten; anschließend landeten sie in der Dachrinne des Kirchturms unterhalb des Nistkastens, wo sie sich noch einige Tage aufhielten. Beim Wechsel von der Dachrinne auf den First des Kirchendaches verloren die jungen Uhus den Halt und rutschten das Dach hinunter. Sie blieben hinter dem Schneefanggitter des Kirchendaches unverletzt, aber in einer eher misslichen Lage liegen. Dieses Umstandes wegen holte die Hildesheimer Berufsfeuerwehr die beiden Jungvögel auf Bitte von Angelika Krueger von der Eulenschutzgruppe des NABU Hildesheim vom Dach. Von dort aus kamen sie in die Wildvogelauffangstation nach Leiferde, wo sie auf ein Leben in Freiheit vorbereitet im Herbst freigelassen werden sollen.
Bemühungen, für die beiden Jungvögel in der Nähe der Lambertikirche ein beruhigtes Areal bereitzustellen, in dem sie von den Altvögeln bis zum Ende der Infanteristenzeit hätten versorgt werden können, scheiterten am gefahrvollen Umfeld. Zwar wurde 250 Meter von der Kirche entfernt ein geeignetes Quartier gefunden, in das der erste der beiden Jungvögel versuchsweise gesetzt wurde. Der Jungvogel bettelte aber nicht in der für ihn fremden Umgebung, so dass die Altvögel ihn auch nicht entdeckten und vermutlich auch gar nicht vermissten, zumal sich zu dieser Zeit der zweite Jungvogel noch auf dem Kirchendach aufhielt.
Vermutlich handelt es sich bei dem Brutpaar um das Uhumännchen der beiden Vorjahre vom Dom und um ein neues Uhuweibchen. Das alte Uhuweibchen war 2010 geschlüpft und hatte seit 2014 in einem jeden Jahr am Dom gebrütet. Nach dieser langen Zeit dürfte es nicht mehr am Leben sein, denn auch an einem Dom brütenden Uhus ist kein biblisches Alter garantiert. Mit dem Tod des alten Uhuweibchens dürfte die Bindung zum menschennahen Brutplatz im Kreuzgang des Hildesheimer Domes abgerissen sein. Das alte Uhuweibchen hatte erst 2017 den hochgelegenen Brutplatz im Westwerk des Domes aufgegeben und den Brutplatz im von vielen Menschen besuchten Kreuzgang bezogen.
Der Brutplatz im Turm der Hildesheimer Lambertikirche hat sich für Uhus eher als Falle erwiesen. Er ist auch für Turm- und Wanderfalken des gefahrvollen Umfeldes wegen wenig geeignet. Der Brutplatz wurde in bester Absicht eingerichtet, aber sein Nutzen ist fraglich, zumal wenn er wie geschehen Uhus zu einer riskanten Brut verleitet. Die Uhuschützer um Angelika Krueger, die sich seit Mitte Mai unermüdlich um die Uhus an der Lambertikirche gesorgt und täglich schon vor Sonnenaufgang die Lage kontrolliert hatten, erwägen deshalb nicht grundlos, den Brutplatz unbrauchbar zu machen. Ob wieder einmal Uhus am Hildesheimer Dom brüten werden, bleibt abzuwarten.