Mit Ostern verbindet sich seit dem Jahr 2022 für Naturschützer vor allem eines: das im April 2022 von den bündnisgrünen Bundesministern Steffi Lemke und Robert Habeck vorgelegte „Osterpaket“. Es leitete die drastische Absenkung des deutschen Natur- und Artenschutzrechts ein, welche die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatte. Was folgte ist bekannt: Die Öffnung der Landschaftsschutzgebiete für Windenergieanlagen, die Reduzierung der an Windenergieanlagen kollisionsgefährdeten Brutvogelarten auf 15 Arten, die Reduzierung von Abstands- und Untersuchungserfordernissen, die Umkehr der Beweislast, die Etablierung von Schutzmaßnahmen ungeklärter Wirksamkeit, die Einführung von artenschutzkritischen Zumutbarkeitsgrenzen, der generelle Vorrang der Windenergiewirtschaft vor dem Naturschutz, die Ankündigung nationaler Artenhilfsprogramme mit unklarer Reichweite und Ausstattung oder auch ein absonderliches Anbringungsverbot von Nisthilfen für Fledermäuse und Vögel.

Um den Schein von Offenheit zu wahren, wurden die Naturschutzvereinigungen beteiligt. An einem Freitagnachmittag (10. Juni 2022) wurde der Gesetzesentwurf den Vereinigungen zugeleitet. Die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme endete am darauffolgenden Montag. Über derlei abgründige Gepflogenheiten berichtete der jährlich mit 8,57 Milliarden Euro finanzierte Öffentlich-Rechtliche Rundfunk mit keiner Silbe. Wie überhaupt dieses Kapitel deutscher Gesetzgebung dort eher nur gefeiert, nicht aber durchleuchtet, geschweige denn kritisch kommentiert wurde.

Allerdings war dies nur ein erster Schlag. Es folgte die Etablierung von Beschleunigungsgebieten für Windenergieanlagen und andere Transformationsprojekte. In diesen Gebieten entfallen künftige Umweltverträglichkeitsprüfungen und artenschutzrechtliche Prüfungen und ist allein auf Basis bereits vorliegender aktueller Daten über Artenvorkommen zu entscheiden. Fehlen diese Daten oder sind verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen nicht möglich, sind geringe pauschalierte Beträge in Artenhilfsprogramme an den Bund zu zahlen. Dieses war der zweite Schlag.

Wer glaubt, damit hätte der Furor ein Ende gefunden, sieht sich getäuscht. Die Ampelkoalition hat auch die Schwächung des schwächsten Instruments des Bundesnaturschutzgesetzes ins Auge gefasst: Die Eingriffs-Ausgleichs-Regelung. Sie hatte in den 1970er Jahren als eine der bedeutendsten Neuerungen des deutschen Naturschutzrechts gegolten. Doch die Pläne der Ampelkoalition reichen noch weiter: Nachdem sie die Landwirte mit der Besteuerung des Agrardiesels gegen sich aufbrachte, bietet sie der Landwirtschaft die Entlastung von Naturschutzauflagen an. Den Preis für die Finanzierung der Staatsausgaben sollen insofern Natur und Landschaft zahlen. Insider erwarten beispielsweise die Legalisierung des Grünlandumbruchs und einen weiteren Intensivierungsschub in der Agrarwirtschaft. Die Landwirtschaftsverbände haben mit ellenlangen Forderungskatalogen längst Position bezogen. Die Koalition im Deutschen Bundestag gegen den Naturschutz war nie so groß wie heute. Sie reicht von links bis rechts.