In zehn Jahren werden Regierungsplänen zufolge Solarparks voraussichtlich 100.000 Hektar der heute landwirtschaftlich genutzten Fläche Deutschlands beanspruchen. Diese Fläche entspricht der Fläche der acht deutschen Waldnationalparke oder dem Dreifachen der hessischen Naturschutzgebietsfläche oder – eine weitere Vergleichszahl – der Fläche von 1.700 landwirtschaftlichen Betrieben durchschnittlicher Größe. Nimmt man den auf zwei Prozent der Landfläche geplanten Ausbau der Windenergiewirtschaft hinzu, stehen Natur und Landschaft nach Art und Umfang beispiellose Veränderungen bevor. Die mit Solarparks verbundene Flächeninanspruchnahme ist beträchtlich. Schon allein deswegen dürfte das lang gehegte Ziel, das bereits 2020 hatte erreicht sein sollen, den Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren, noch lange verfehlt werden. Derzeit sind es täglich 56 Hektar. Zum Vergleich: Mehr als 45 Jahre nach Einführung der Eingriffs-Ausgleichs-Pflicht beträgt die in Deutschland mit Kompensationsmaßnahmen belegte Fläche schätzungsweise kaum mehr als ein Prozent.
Derzeit werden überall in Deutschland Freiflächen für Solaranlagen mobilisiert. Wird es gelingen, wenigstens die für Naturschutz und Landschaftspflege wertvollen Gebiete vor diesem Boom zu schützen? Die prioritäre Verschonung naturschutzwichtiger Bereiche geht mit der Preisgabe aktuell für den Naturschutz weniger bedeutsamer oder vorbelasteter Bereiche einher. Dabei bedürfen diese Gebiete eigentlich einer Wiederherstellung. Gerade die für Solarparks so geeignet erscheinenden Acker- und Grünlandstandorte geringer Produktivität (Grenzertragsstandorte) weisen insbesondere für Vögel der Agrarlandschaft noch vergleichsweise gute Bedingungen auf. Die Verluste ihrer Lebensräume können nicht durch die in Solarparks durchaus mögliche Förderung anderer Vogelarten z. B. der Gehölze und Siedlungen oder der Pflanzen- und Insektenvielfalt angemessen ausgeglichen werden, selbst wenn zwischen den Modulen mehr Platz für weniger empfindliche bodenbrütende Vogelarten freigelassen wird. Diese Vorbehalte hat kürzlich die Deutsche Ornithologen Gesellschaft in ihrem Positionspapier zum Ausbau von Photovoltaikanlagen in der Agrarlandschaft herausgestellt.
Dass die Bezeichnung Solarpark ein Euphemismus ist, der die industriellen Anlagen schönfärbt, liegt auf der Hand. Dabei ist für die technisch überformten Solarfelder schon eine noch kreativere Bezeichnung gefunden: Biodiversitätspark. An Bestrebungen von Naturschutzorganisationen, Hochschulen und der Solarwirtschaft, Solarparks als „Hotspots der Artenvielfalt“ in Stellung zu bringen, fehlt es nicht. Diese Bestrebungen leisten dem Ansinnen Vorschub, die mit den Anlagen verbundene Flächeninanspruchnahme aus der Flächenverbrauchsstatistik herauszunehmen. Liegt die Zukunft des Naturschutzes also im Solarpark? Sind der darin mit einem botanisch-zoologischen Gärtnern erreichbare Schutz einzelner Arten und die Maximierung von Artenzahlen schon oder überhaupt Naturschutz? Ein Starenkasten und ein Tümpel hier, ein Lesestein- oder Totholzhaufen dort, zwischen den Modulen ein paar floristische Besonderheiten und grasende Schafe? Im Editorial der Ausgabe von Februar 2023 der Zeitschrift „Naturschutz und Landschaftsplanung“ geht es gar ums ganz große Ganze. Der Autor empfiehlt „Agri-Photovoltaikanlagen als Stockwerk über Weidelandschaften und Nutzpflanzen“ als Strategie, „um die Kulturen klimafit zu machen“ und verheißt „Solarparks mit landschaftlich angepasster Gestaltung und üppig geförderter Biodiversität. Sind Solarparks womöglich Ökokonten mit Ausgleichsfunktion für Eingriffe andernorts?
Sollten sich mit derselben Logik dann nicht auch neue Wohnsiedlungen auf der buchstäblich grünen Wiese zumal mit Solaranlagen am Balkon, Windrad auf dem Dach und Wärmepumpe im Keller als Biodiversitätsgebiete deklarieren lassen, wenn Dächer und Fassaden begrünt sind, ein Nistkasten für Blaumeisen und ein Insektenhotel am Haus hängt? Taugt auch das für Bonuspunkte zum Ansparen und Verrechnen in der grünen Eingriffs-Ausgleichs-Buchhalterei? Die Banalisierung des Naturschutzes scheint grenzenlos zu sein. Übrigens reklamierte der Deutsche Golfverband die Biodiversität bereits in den 1990er Jahren – damals allerdings noch unter der schlichten Bezeichnung Artenvielfalt –für seine Golfplätze. Zu früh allerdings, um sie in die bald darauf eröffneten Ökokonten einzuzahlen.
Künftig könnten Solarparks aber noch aus einer ganz anderen Sicht heraus keinen Ausgleich mehr erfordern. Dann nämlich, wenn sie als „Vorhaben des Klimaschutzes“ per se gar nicht mehr als Eingriff angesehen würden. Dann wäre auch der Bau einer Fabrik kein Eingriff mehr in Natur und Landschaft, sofern in ihr keine Verbrennerautomobile, sondern Elektrofahrzeuge oder Lastenfahrräder produziert werden. Ein bereits 2019 mit den Umweltministern der Länder abgestimmter Arbeitsplan des Bundeswirtschaftsministeriums hatte exakt dies zum Ziel: die „Weiterentwicklung des Bundesnaturschutzgesetzes mit dem Ziel, Maßnahmen zum Klimaschutz von den naturschutzrechtlichen Ausgleichspflichten vollständig auszunehmen“.