Liebe Uhu-Freundinnen und -freunde,
alle drei Junguhus in der Burgruine sowie das „Sorgenkind“ in der Wildvogelpflegestation sind wohlauf.
In den vergangenen Nächten konnten wir nur zwei Geschwister im Erdgeschoss der Burgruine lokalisieren. Ein dritter Jungvogel war auch akustisch nicht auszumachen. Heute konnte ich ihn jedoch außerhalb der Ruine beim Sonnenbad an der Burgmauer entdecken:
In der Regel haben Junguhus den Trieb, in der Nähe ihrer Geschwister zu sitzen. Durch die gemeinsamen Bettelrufe wissen die Eltern genau, wo Nahrung anzuliefern ist, und brauchen nur eine Lieferadresse anzusteuern. Auch die Abwehr von Fressfeinden kann im Verbund besser gelingen als allein. Manche Junguhus verfolgen jedoch eine andere Strategie und gehen ihren eigenen Weg. Bei meinen vielen Besuchen von Uhunestern konnte ich dies immer wieder beobachten. Dabei war der Außenseiter oft das älteste Geschwister. So verhält es sich auch hier in der Burgruine; der Uhu mit der Nummer …20 sitzt draußen am Boden. Er hatte ja auch länger auf dem Gerüst gesessen und wagte als letzter den Sprung auf den Boden. Möglicherweise wählte er direkt nach der Landung den Weg nach draußen.
Bodentruppe mit Flugabwehr
Manche Zuseher wundern sich über die gefährlich anmutende Überlebensstrategie der am Boden sitzenden Junguhus. Wir können dieses Verhalten bei allen einheimischen Eulen beobachten. Auch bei den in Höhlen brütenden Arten bewährte sich dieses Verhalten in ihrer Entwicklungsgeschichte offensichtlich. Bei in Baumnestern aufwachsenden Uhus werden sie vom Nestling zum Ästling, wenn sie das Nest verlassen. Bei bodenbrütenden Uhus schließt sich an die Nestlingszeit die sogenannte „Infanteristenphase“ an. Erfahrene Uhueltern behalten ihren Nachwuchs dabei stets im Blick und sind allzeit zur Verteidigung bereit. Dabei sind sie sehr mutig und greifen auch Hunde und zur Dämmerungszeit auch Menschen an. Im Laufe meiner Uhujahre haben mir schon ein Dutzend Menschen von schmerzhaften Begegnungen mit den Krallen von Uhus berichtet. Nach den Beschreibungen fühlt es sich an, „als würde man einen mit Nägeln gespickten Ziegelstein an den Kopf geworfen bekommen“. Der lautlose Flug der Uhus macht diese Erfahrung noch unheimlicher und hat eine deutlich abschreckende Wirkung.
Sorgenkind hat Glück, ein „VIP-Uhu“ zu sein
Beim „Sorgenvogel“ mit der …19 werden keine eindeutigen Krankheitssymptome mehr beobachtet. Das Hauptaugenmerk gilt jetzt der Gewichtszunahme. Eine Ursache für den desolaten Zustand bei der Einlieferung wurde nicht gefunden. Jungvögel, die dem Überlebenskampf in dieser Lebensphase erliegen, finden wir immer wieder. Die natürliche Auslese sortiert schwächere Vögel aus, manche haben auch einfach Pech, weil äußere Umstände wie Wetter oder geringe Nahrungsverfügbarkeit ihnen zusetzen und sie deswegen ins Hintertreffen geraten.
Ich wünsche uns weiterhin schöne Beobachtungen.
Ihr Stefan Brücher