Uhus zwischen Idyll und Technotop
Uhus galten als menschenscheue Gebirgsvögel. Die letzten ihrer Art hatten jedenfalls nur in schwerzugänglicher Gegend überlebt – buchstäblich weitab vom Schuss. Doch die Abgeschiedenheit entsprach nicht der Natur des Uhus, sondern war das Resultat einer jahrhundertewährenden erbitterten Verfolgungsjagd. Der Uhu galt wie Wolf, Bär, Luchs und Wildkatze als Raubzeug. Heute wissen es die Menschen besser. Seit der gelungenen Wiederansiedlung Europas größter Eulenart zeigt der Uhu ein enormes Anpassungsvermögen an Lebensraum und Brutplatz. Die beiden Fotos zu dieser Nachricht markieren gewissermaßen die beiden Enden eines breiten Spektrums. Im Bild oben der natürliche Brutplatz in den Felsen eines Mittelgebirges (hier: den Buntsandsteinfelsen im Tal der Rur in der Eifel); ein Jungvogel lugt hinter den Felsen hervor. Im Bild unten mit einem roten Pfeil markiert der Brutplatz im Abluftrohr einer Getreidetrocknungsanlage in einem Gewerbegebiet. Stefan Brücher trifft auf seiner Beringungstour in diesen Tagen wie in einem jeden Jahr auf Uhubruten an den verschiedensten möglichen und – so möchte man meinen – unmöglichsten Orten: an idyllischen Naturfelsen, in Steinbrüchen mit krachendem Abbaubetrieb, in ausgedienten Baumnestern von Greifvögeln und an vielerlei anderen Stellen. Der Uhu ist zivilisationstauglich und eine friedliche Koexistenz zwischen Uhus und Menschen möglich.

Die Fortschrittskoalition 2.0
Der erste Koalitionsvertrag einer deutschen Bundesregierung kam 1961 mit acht Seiten aus. Der 64 Jahre und 17 Legislaturperioden später im Mai 2025 von Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU) und Lars Klingbeil (SPD) unterzeichnete, mit „Verantwortung für Deutschland“ überschriebene Vertrag hat 144 Seiten. Notwendig, so der Grundton des Vertrags, sei eine grundsätzliche Überarbeitung von Planungs-, Bau-, Umwelt- und Verfahrensrecht. Die Ankündigung lässt für den Naturschutz nichts Gutes erwarten. Es droht die Fortsetzung der von der sozial-grün-liberalen Fortschrittskoalition begonnenen Schwächung des Naturschutzes. Eine Verankerung von Betreiberpflichten für die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung, um dem Biodiversitätsniedergang auf dem Land wenigstens aufzuhalten? Fehlanzeige! Stattdessen setzt die Regierung in Feld und Wald auf Freiwilligkeit der Unternehmen und ein bloßes „Weiter so“.
Die angekündigten gesetzgeberischen Ambitionen der Koalitionäre zielen auf den Abbau von Umweltprüfungen, Eingriffsfolgenbewältigung, Artenschutz sowie der Mitwirkungsrechte der Naturschutzvereinigungen. Das soll ganz schnell geschehen. 86 Mal ist, zumeist im Zusammenhang von Planungs- und Zulassungsverfahren, von beschleunigen, vereinfachen, flexibilisieren und reduzieren die Rede. Das Baugesetzbuch soll in zwei Schritten novelliert und in den ersten 100 Tagen ein Gesetzentwurf zur Einführung eines „Wohnungsbau-Turbos“ vorgelegt werden. Wo gemeinschaftsrechtliche Vorschriften der Regierung noch Einhalt gebieten, will sie eine europäische Beschleunigungsinitiative starten. Den von der Vorgängerregierung initiierten Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung setzt die Regierung fort.
Ganze 29 von 4.588 Zeilen gelten dem Naturschutz. Das Artensterben bleibt unerwähnt. Das Wort Naturschutz findet zehnmal und damit so oft Erwähnung wie die Raumfahrt. Das geschieht zumeist in inhaltsschwachen unschädlichen Absichtsbekundungen wie „Wir unterstützen kooperative Modelle für Landwirtschaft, Kommunen und Naturschutz“ oder „Wir wollen das Grüne Band im Sinne des Naturschutzes und der spezifischen Erinnerungskultur erhalten“.
Eine andere Aussage hingegen zielt unverhohlen auf eine zentrale Errungenschaft des deutschen Naturschutzrechts, nämlich die Verpflichtung zur Reparatur der Folgen zwar nicht sämtlicher Eingriffe in Natur und Landschaft, aber solcher zum „Klima- und Umweltschutz sowie zur Klimaanpassung“. Für diese grünschillernden Vorhaben wollen die Koalitionäre „die Notwendigkeit des naturschutzrechtlichen Ausgleichs reduzieren“. Zu diesen Eingriffen darf man mindestens den Zu- und Ausbau von Wind- und Solarparks, Pumpspeicherbecken, Wasserkraftanlagen, Gaskraftwerken, Stromleitungen, Energiespeicheranlagen oder gar den „klimaresilienten“ Wohnungsbau rechnen. Ulrike Fokken kommentierte diese Ankündigung in der taz: „unter Klimaschutz und Anpassung wird in Deutschland in Zukunft alles fallen“ und prognostizierte einen heillosen und ausgleichsfreien Verbrauch an Natur und Landschaft im Namen des Klimaschutzes. Wer eine Fabrik aufs Feld setzt, muss vollumfänglich die Schäden kompensieren. Nicht so, wenn darin Fahrräder oder E-Autos produziert werden, weil letztere gut sind, so die schlichte Logik der Vertragspartner, als wäre die Zerstörung von Natur und Landschaft nicht dieselbe. Wie kopflos die Koalition im Naturschutz agieren will, zeigt nicht zuletzt ihre Bereitschaft, selbst kleine Fließgewässer für die Energiegewinnung in Anspruch nehmen zu lassen. Damit erweist sich die neue Regierung als noch naturschutzvergessener als ihr Vorgänger. Dem Zubau von Wind- und Solarparks setzt die Koalition keine Grenze; begrenzen will sie nur die Höhe der Pachten für die Grundeigentümer von Solar- und Windparks. Pachten in obszöner Höhe, welche zu der Kostensteigerung für die Energie aus Sonne und Wind beitragen, die angeblich keine Rechnung schicken.
Die Merz-Regierung hält zur Zufriedenheit von Bündnis90/DieGrünen, von deren Wohlwollen die kleine christlich-soziale Koalition abhängig ist, ungebremst an den Ausbauplänen der Wind- und Solarenergiewirtschaft fest. Mehr noch: Die Regierung plant die Übertragung der von der Ampelkoalition zugunsten der Windenergiewirtschaft durchgesetzten Absenkung des Artenschutzrechts auf weitere Industrie- und Infrastrukturvorhaben, wenn nicht insgesamt aufs Bauen. Denn das verbirgt sich hinter dem sperrigen Diktum eines „bundeseinheitlichen Populationsansatzes im Artenschutz“: die Abkehr vom Schutz des Individuums, wenn nur die nationale Population im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat, nicht schon zusammenbricht. Ein Kerngedanke grüner Politik, der nun zu einer Blaupause schwarz-roter Wirtschafts-, Industrie-, Verkehrs-, Energie- und Baupolitik werden soll. Unterm Strich ist die Naturschutzpolitik der neuen Regierung ähnlich schlecht wie die der alten. Mit einem entscheidenden Unterschied: Der neuen Regierung steht für die Durchsetzung ihrer Pläne ein Milliarden Euro schweres Sondervermögen an Schulden zur Verfügung für Dinge, die zuvor unbezahlbar waren.
Die großen Umweltverbände sind angesichts dieses Debakels weithin sprachlos – vielleicht deswegen, weil die neue Bundesregierung an der großzügigen finanziellen Förderung der Nichtregierungsorganisationen festhält, die deshalb, so die Kritiker, sich die Unabhängigkeit und den Schneid längst haben abkaufen lassen. Von einer Regierung, die ihnen die Klagerechte nehmen, aber zugleich für mehr Anerkennung gemeinnütziger Organisationen und des Ehrenamts sorgen will. Auch darauf haben sich die Koalitionäre verständigt und darauf verstehen sie sich. Worauf und als was sich die Umweltverbände verstehen? Man weiß es nicht. Als außerparlamentarische Opposition gewiss nicht.
Buchtipp “Das Buch der Gartenvögel“
An deutschsprachigen Vogelbestimmungsbüchern ist kein Mangel, weshalb es Neuerscheinungen nicht leicht haben. „Das Buch der Gartenvögel“ der Diplom-Biologen Katrin und Frank Hecker dürfte indessen eine Leserschaft finden. Es wendet sich nämlich an ein breites Publikum, nicht an den überschaubaren Kreis der ornithologisch Fortgeschrittenen, sondern an Menschen, die sich Kenntnisse über die Vögel im eigenen Garten verschaffen oder diese vertiefen möchten. Das Buch beschränkt sich nicht auf Gartenvögel im engen Sinne, sondern stellt auch Arten aus Lebensräumen vor, die wie Stadt und Dorf Gärten umfassen oder wie Feld, Wiese und Wald an Gärten anschließen. Das erklärt die stattliche Zahl der auf bis zu vier Seiten je Art textlich knapp und mit zahlreichen bestimmungstauglichen Farbaufnahmen vorgestellten 124 Arten. Dazu zählen mit je einer Seite auch Uhu, Waldohreule, Waldkauz, Schleiereule und Steinkauz. APP-Codes liefern die Vogelstimmen von 121 der vorgestellten Arten. Eingangs widmen sich die Autoren den vielfältigen Verbindungen zwischen Garten- und Vogeljahr mit den für Vogelbeobachter jahreszeitlichen Besonderheiten. Das Buch spart nicht an nützlichen Hinweisen für den Vogelschutz im Garten: zu Vogeltränke, Sandbad, Lehmpfütze, Nisthilfen, Pflanzenauswahl und Winterfütterung. Das reich illustrierte, ansprechend gestaltete Buch eignet sich nicht zuletzt als Geschenk für Gartenbesitzer, zumal für solche, deren Gärten wie die meisten der 17 Millionen Gärten in Deutschland erst noch zu einem guten Ort für Vögel entwickelt werden wollen.
Wilhelm Breuer
Katrin und Frank Hecker: Das Buch der Gartenvögel
Dein Begleiter für Garten und Balkon – Ein lebendiger Streifzug für die ganze Familie.
224 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen. Kosmos Verlag ISBN 978-3-440-18076-1, 24,00 € (D)
EGE erinnert an Wilhelm Bergerhausen
Am 9. Mai 2025 wäre der Gründer der EGE, Wilhelm Bergerhausen (im Bild), 75 Jahre alt geworden. Wilhelm Bergerhausen war einer der profiliertesten Eulenschützer in Deutschland. Für die Wiederansiedlung des Uhus in Deutschland hatte er bereits seit Mitte der 1970er Jahre in der damaligen „Aktion zur Wiederansiedlung des Uhus“ an herausragender Stelle gearbeitet. Nach dem erfolgreichen Abschluss dieses Projektes gründete Bergerhausen 1990 die EGE, um einen vergleichbaren Erfolg auch für andere bedrohte Eulenarten zu ermöglichen. Nach unermüdlichem Einsatz für diese Sache starb Wilhelm Bergerhausen überraschend im November 2006 im Alter von 56 Jahren. In der Zeitschrift „Natur und Landschaft“ erschien damals ein Nachruf auf Wilhelm Bergerhausen.
Flugverkehr versus Vogelflug
Bisweilen erreichen die EGE negative Nachrichten, so vor wenigen Tagen. Ein in der Eifel im Mai 2023 von Stefan Brücher beringter junger Uhu ist 722 Tage später und 119 Kilometer vom Beringungsort entfernt tot aufgefunden worden. Die Vogelwarte Radolfzell, der der Fund gemeldet worden war, gibt als Todesursache die Kollision mit einem Luftfahrzeug an. Gefunden wurde der Uhu zerstückelt auf der Landebahn des internationalen Flughafens von Luxemburg. Der 359 Hektar große Airport verzeichnete im Jahr 2023 fast 93.000 Flugbewegungen. Das kaninchenreiche, baumlose Grasland von Flugplätzen zählt zu den für Uhus attraktiven, aber – wegen der Vielzahl der Start- und Landevorgänge von Flugzeugen – nicht gerade ungefährlichen Nahrungshabitaten.
Zum ökologischen Fußabdruck des internationalen Luftverkehrs gehört eben nicht allein der enorme Energieverbrauch und der Ausstoß von Kohlendioxid, sondern zu Buche schlagen auch die tödlichen Verluste, die Vögel überall auf Flughäfen und in der Luft an den Maschinen erleiden. Dass Vögel und Flugzeuge kollidieren, ist keine Seltenheit, es gehört vielmehr zum Alltag im Luftraum. Allein in den USA ist es laut Daten der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA zwischen 1990 und 2023 zu 291.600 solcher Vogelschläge gekommen. Der Deutsche Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr (DAVVL) verzeichnete für 2024 mindestens 1.779 Fälle. In der Regel gehen die Zusammenstöße zwischen Vogel und Flugzeug glimpflich aus – für das Flugzeug, nicht aber für die Vögel.
Uhuschutz mit Weitsicht
Die ersten Uhus der diesjährigen Brutzeit hat Stefan Brücher in der Eifel bereits beringt. Dabei geht es ihm um mehr als nur um die Beringung der Uhus. Im Blick hat Brücher auch stets das Umfeld der Brutplätze, damit die Jungvögel gefahrlos aufwachsen können. Das Bild oben zeigt eine keineswegs ungewöhnliche Situation: Eine Kiesgrube, in der fortlaufend Kies abgebaut wird. An der im Bild markierten Stelle haben in diesem Jahr Uhus gebrütet. Im Nest befinden sich drei junge Uhus (im Bild unten), die Stefan Brücher kürzlich beringt hat. Die Abbaufirma ist informiert. Die Uhus können vom Abbaubetrieb unbehelligt aufwachsen. Im nächsten Jahr jedoch wird an dieser Stelle möglicherweise der Kiesabbau fortgesetzt werden. Dann steht der alte Brutplatz nicht mehr zur Verfügung. Für diesen Fall denken Stefan Brücher und die Leute von der Abbaufirma schon heute vorsorglich an die Bereitstellung eines sicheren neuen Brutplatzes für 2026 im räumlichen Zusammenhang des Uhureviers.
Buchtipp „Unsere Wälder“
Das Buch des Biologen und vielfach ausgezeichneten Natur- und Tierfilmers Jan Haft hält, was der Untertitel verspricht. Mehr noch: Es vermag unbegründetes Mutmaßen, vermeintliches Wissen und leichtfertiges Urteilen über den deutschen Wald, Waldnaturschutz und Forstwirtschaft zu überwinden und durch Fakten zu ersetzen. Dem Buch könnte gelingen, was der mit 8,7 Mrd. Euro abgabenfinanzierte Öffentlich-Rechtliche Rundfunk an 365 Sendetagen selten versucht und so gut wie nie erreicht. Trotz der Bekenntnisse zur Wissenschaft und des Einsatzes der Fakten-Checker ist die um Einordnung bemühte mediale Berichterstattung über den Wald häufig auf dem Holzweg und erschreckend unterkomplex wie eine Fichtenmonokultur. Das Dargebotene reicht oft nicht einmal für die Unterscheidung zwischen Wald und Forst, umso mehr für Halbwahrheiten und ganze Lügen. Dementsprechend begrenzt ist der Kenntnis- und Bildungsstand der Gesellschaft über Deutschlands grünes Drittel. Das zwölf Kapitel umfassende Buch zum Preis von weniger als 10 Cent je Seite ist ein faktenbasiertes, überaus informatives Sach-, Lehr- und Lesebuch in einer wohltuend leisen, dem Wunderwerk Wald angemessenen Sprache. Obendrein ist es ein Ausflugsführer in 23 erlebenswerte Waldgebiet Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und ein ebenso scharfsichtiges wie überzeugendes Plädoyer für einen Wald, wie wir ihn noch nicht gesehen haben, ließe man den Bäumen darinnen mehr Raum und Zeit zum autonomen Keimen, Wachsen, Werden und Vergehen. Das Buch öffnet den Blick in den Wald der Zukunft, in dem vieles Platz hat, so auch Wild, Wildnis, Windwurf, Wisente und Wirtschaftlichkeit.
Wilhelm Breuer
JAN HAFT: Unsere Wälder
Wie sie sind, wie sie sein könnten: Ein anderer Blick auf das Zusammenleben
254 Seiten sowie 32 Seiten farbiger Fotos. Pinguin Verlag 2024 ISBN 978-3-328-60363-4. 24,00 € (D) 24,70 € (A)
April, April!
In den Vorjahren standen Leser dieser Website an einem 1. April in der Gefahr, in den April geschickt zu werden. In diesem Jahr widersteht die EGE dieser Versuchung. Zum einen ist der Grat für einen zulässigen Scherz schmal geworden. Zu leicht könnte eine Meldung als Fakenews oder Delegitimierung des Staates missdeutet werden. Und zum anderen übertrifft die Wirklichkeit bisweilen die aprilscherzhafte Zuspitzung. Das lehren beispielsweise aktuelle Nachrichten über die Artenvielfalt in Solarparks, die geradezu als überwältigend beschrieben wird. Dass sich zwischen den Modulen mehr Arten anzusiedeln vermögen als in einem güllegetränkten Gras- oder Maisacker, steht gleichwohl außer Frage. Aber wird eine mit Solaranlagen überstellte eingezäunte zuvor als Acker oder Grünland genutzte Fläche deswegen schon zu einem Park? Der Neusprech hat sich in noch euphemistischere Höhen verstiegen. Abgehoben von der Wirklichkeit entstehen auf Deutschlands Fluren Biodiversitätssolarparks wie Luftschlösser. Da kann die Kirche kaum abseits stehen.
In einem Positionspapier formuliert das Bistum Münster Mindestanforderungen und Ausschlusskriterien für Freiflächen-Photovoltaikanlagen auf Kirchenland. Von Solarparks ausschließen will das Bistum zwar Kirchenland in Naturschutzgebieten, nicht aber in Landschaftsschutzgebieten. Dabei ist auch darin ein Anlagenbau naturschutzrechtlich kaum zulässig. Zu einem generellen Ausschluss von Solarparks bekennt sich das Papier nicht einmal in Natura 2000-Gebieten. Das Bistum mag damit seinem grünen Gewissen folgen, aber wohl auch dem Wissen um die mit Solarparks erzielbaren Pachteinnahmen von 5.000 Euro pro Hektar und Jahr. Einnahmen, die einen Hinweis auf die Gewinnspannen der Erneuerbaren Energien geben, welche ein mit dem Anbau von Feldfrüchten erzielbares Auskommen in den Schatten stellen und die Boden- und Pachtpreise für die landwirtschaftliche Nutzfläche in die Höhe treiben. Sind diese Gewinne nicht auch ein Grund für die steigenden Energiepreise, die viele Menschen zu zahlen nicht mehr in der Lage sind und deswegen von staatlichen Transferleistungen oder der Caritas abhängig sind? Sollte die Kirche nicht diese Geldmacherei kritisieren, anstatt sich daran zu beteiligen?
Das kirchliche Positionspapier steckt voller Details. Und Details sind bisweilen eine Heimstatt des Teufels. Das Papier bindet die Verwendung des Kirchenlandes für die Solarwirtschaft an inhaltsleere Nachhaltigkeitskriterien und Scheinauflagen. Es begrenzt die Versieglung auf ein Maß, das kaum ein Solarpark überschreitet, verlangt den Ausschluss von Dünger, Bioziden und Chemikalien, die darin niemand einsetzt. Es präferiert Solarparks auf landwirtschaftlich weniger ertragreichen Böden wohl aus Sorge um die Ernährungssicherheit. Allerdings sind es oftmals gerade die ertragsschwachen Böden, die mit einer höheren Artenvielfalt noch einen Beitrag zum Naturschutz leisten. Leichter zum Zuge kommen sollen Solarparks, die an einen ökologischen Begleitplan oder an ein Monitoring geknüpft sind. Doch garantiert ist damit nichts, denn Qualitätsstandards für diese Pläne gibt es nicht, und ohne ökologische Nachbesserungspflichten bleibt auch das gründlichste Monitoring im artenarmen Solarpark folgenlos. Die propagierte Anreicherung der Solarparks mit Steinhaufen und Totholz stößt auf kirchliches Wohlwollen, schadet nicht, hat aber die Qualität eines Ökozirkus. Das Bistum spekuliert bereits auf zusätzliche Ökopunkte, die als Ausgleich für neue Bauprojekte herangezogen werden können. Nach dieser Logik sind Industrieanlagen mit einem Blaumeisennistkasten Biodiversitätsfabriken.
Übrigens: Schon die moderat erscheinende Zielmarke eines Anteils von 0,5 Prozent Freiflächen-Solarparks in Deutschland entspricht mit 178.000 Hektar der Fläche von 2.825 landwirtschaftlichen Betrieben. Das Bistum Münster hält eine Verwendung des jeweiligen Kirchenlandes bis zu einem Anteil von zehn Prozent kirchenaufsichtlich für grundsätzlich genehmigungsfähig. Die Kirchen in Deutschland besitzen mehr als 380.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche.
Künftige Koalition für Demontage des Naturschutzrechts
Kenner der Materie hatten es nicht anders erwartet. Die künftigen Koalitionspartner CDU/CSU und SPD wollen zahlreiche Gesetze durchforsten und Hindernisse aus dem Weg räumen. Deutschland droht eine Fortschrittskoalition 2.0. Den von der Ampelkoalition ins Werk gesetzten Kahlschlag will die künftige Regierung fortsetzen. Die Grünen haben 2022 die Blaupause dazu geliefert und im Namen des Klimaschutzes die Büchse der Pandora geöffnet. „Notwendig ist eine grundsätzliche Überarbeitung von Planungs-, Bau-, Umwelt-, Vergabe- und Verfahrensrecht“, heißt es in Berlin.
Im Fadenkreuz steht der Ausgleich für die Folgen künftiger Eingriffe in Natur und Landschaft – noch nicht für sämtliche Eingriffe, aber für alle Projekte der Energiewende. Dazu darf man mindestens den ungeheuren Zubau an Wind- und Solarparks, den Stromleitungsbau, den Bau von Gaskraftwerken, Wasserkraftanlagen und Speicherkapazitäten rechnen. „Bei Projekten der Energiewende verzichten wir künftig auf den naturschutzrechtlichen Ausgleich.“ Damit fällt auf breiter Front nach fast einem halben Jahrhundert eine der grundlegenden Errungenschaften des Bundesnaturschutzgesetzes, das sich der sozial-liberalen Bundesregierung verdankt. „Klimaschutz ist als solcher schon der beste Umwelt- und Naturschutz“. So dreist begründen die Unionsunterhändler den Anschlag auf das Naturschutzrecht. Ein Anschlag übrigens, den Bundeskanzler Helmut Kohl und Umweltminister Klaus Töpfer (beide CDU) zu ihrer Zeit stets abgewehrt hatten. Damit haben sich die tiefgrün eingefärbten Desinformationskampagnen der regenerativen Energiewirtschaft, der ihnen folgenden Medien und Nichtregierungsorganisationen ausgezahlt. Dem Vernehmen nach will die SPD diesen weitgehenden Vorschlag nicht mittragen, heißt es. Nun müssen die Koalitionsspitzen darüber entscheiden. Ob die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken für den Naturschutz auf die Barrikaden gehen? Wer kann das glauben.
Auf dem Prüfstand stehen auch die Rechte der Naturschutzvereinigungen. Das Verbandsklagerecht soll zumindest reformiert werden. Wörtlich heißt es, „Wir reduzieren, wo heute schon möglich, Verbandsklagerechte und setzen uns auf europäischer Ebene für ihre Abschaffung ein.“ Die SPD trägt auch das zumindest so nicht mit. Wenn nicht so, dann aber vielleicht anders. Streit gibt es hingegen um das Ausmaß des künftigen Windenergieausbaus. Hier ist es die SPD, die unbeirrt vom Irrtum an den bisherigen Ausbauzielen festhalten will, während die Union das bisherige Zwei-Prozent-Flächenziel für zu unflexibel hält. Nun, vermutlich wird man sich einigen. Es kostet nur Natur und Landschaft. Nicht oder nur wenig streitbefangen ist offenbar das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz und das Renaturierungsgesetz. Darin wird man allerdings kaum eine Entwarnung erblicken dürfen, sondern eher deren geringe Bedeutung, auf die Insider frühzeitig hingewiesen haben. Ein Maß an Bedeutungslosigkeit, das nur noch von den deutschen Naturschutzorganisationen unterboten wird.
Die Bilanz einer künftigen Regierung aus Union und SPD dürfte für den Naturschutz noch abträglicher sein, als die der gescheiterten Ampelkoalition. Schlimmer geht immer. Denn während der Vorgängerregierung das Geld ausging, hat der alte Bundestag die Pläne der kommenden Regierung mit Milliarden Euro Schulden geflutet. Pardon: Sondervermögen.
Kauzbrief-Ausgabe 37 erschienen
Erstmals erschien der Kauzbrief der „Arbeitsgemeinschaft Eulenschutz im Landkreis Ludwigsburg“ 1992. Das jetzt vorliegende neue Heft ist die 37. Ausgabe. Sie bietet auf 70 Seiten Neuigkeiten und Fachbeiträge aus Eulenschutz und Eulenforschung sowie über Eulen in Kunst- und Kulturgeschichte. Der Kauzbrief bietet deshalb gerade auch den Personen lohnenden Lesestoff, die sich umfassend und aus breiter Perspektive mit dem Evolutionsphänomen Eule befassen möchten. So vereint auch die aktuelle Ausgabe des Kauzbriefs Naturkunde, Naturschutz, Kunst- und Kulturgeschichte. Erwähnt sein hier beispielsweise der Beitrag über Für und Wider der Beringung von Steinkäuzen, ein reichbebilderter Beitrag über Eule und Kauz in der Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums und ein Beitrag zur Ikonographie des Vogelfangs mit dem Kauz. Nähere Informationen finden Sie hier.
Am Ende des Editorials erfährt der Leser, dass der Redakteur und Gründer des Kauzbriefs, Rudolf Schaaf, in die „World Owl Hall of Fame“ aufgenommen wurde und im Frühjahr 2025 als Anerkennung für seine jahrzehntelange Tätigkeit den zugehörigen Preis „Special Achievement Award“ des International Owl Center (Houston, MN, USA) erhalten wird. Die EGE gratuliert dem Preisträger und ebenso zur gelungenen neuen Ausgabe des Kauzbriefes!
Steinkäuze mit Geschichte
Die Lebenszeit von Obstbäumen ist begrenzt. Das Alter, die fehlende Pflege und die Stürme lasten auf den Ästen. Steinkauzschützer wissen das und kennen den im Bild festgehaltenen Anblick. Glücklicherweise kamen beim Astbruch keine Käuze zu Schaden und auch der Kasten, der mit dem Ast zu Boden stürzte, lässt sich reparieren. Aber Doris Siehoff von der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen und die jungen Menschen im Freiwilligen Ökologischen Jahr bei der Biologischen Station des Kreises Düren haben Anfang März hier in Thuir bei Nideggen vorsorglich einen neuen Kasten in einem anderen Baum montiert.
Auf dieser Grünlandparzelle hängt seit längerem eine weitere Röhre. Darin saß kürzlich das Steinkauzpaar. Das Weibchen war schon dick und rund. Schließlich beginnt bald die Brutzeit. Doris Siehoff fand dieses Weibchen hier bereits Ende März 2018. „Wir haben es seitdem jedes Jahr an dieser Stelle angetroffen, die Nummer seines Ringes abgelesen und seine Jungvögel beringt.“ Geschlüpft war es 2017, also ein Jahr zuvor, an einem sechs Kilometer entfernten Ort in Heimbach-Vlatten. Das Männchen ist wesentlich jünger. Es schlüpfte 2023 in Nideggen-Berg. Der Ort ist nur 1.500 Meter von Thuir entfernt. Verpaart sind die beiden Käuze seit 2024. Ihr Brutplatz ist für alte Käuze bekannt. In dem jetzt abgestürzten Kasten hatte ein Kauzweibchen von 2001 bis 2008 alljährlich gebrütet. Im Jahr 1997 war es von Karl Zens beringt worden. Doris Siehoff hofft, dass hier bald ein paar Bäume gepflanzt werden und die Käuze nicht nur eine Geschichte, sondern auch eine Zukunft haben.
Nistkastenbaum gefällt
Steinkäuze brauchen ein Dach über dem Kopf – zumal für eine erfolgreiche Brut. Dafür braucht es einen Baum mit einer komfortablen Höhle im Stamm oder Ast oder ersatzweise einen Nistkasten. Auf dem Bild ist ein solcher Nistkasten zu sehen, aber der alte Nussbaum, in dem der Kasten befestigt war, wurde kurzerhand gefällt und der Kasten auf den traurigen Rest des Baumes gestellt. Die verpachtete Parzelle ist Eigentum der Gemeinde Niederzier im nordrhein-westfälischen Kreis Düren und insofern öffentliches Eigentum. Der Baum war es dann also auch. Ein Anwohner hatte den Fall dankenswerterweise der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen (EGE) gemeldet.
Warum der Baum abgesägt und was aus dem Holz wurde, ist noch fraglich. Doris Siehoff von der EGE versucht, die Umstände des Geschehens aufzuklären. Immerhin hat die Gemeinde beim Anbringen eines Ersatzkastens Hilfe angeboten. Doris Siehoff und Achim Schumacher haben aber bereits alleine nicht nur den alten Kasten nach Renovierung und sogar einen neuen zweiten in einen benachbarten Obstbaum platziert. So muss eine diesjährige Steinkauzbrut nicht scheitern. Seit 2017 brüten Steinkäuze auf diesem Grundstück erfolgreich. Das obstbaumbestandene Grünland ist ein gesetzlich geschützter Landschaftsbestandteil und der Steinkauz eine streng geschützte Art, so dass der alte Nussbaum mit der Nisthilfe wohl kaum so mir nichts dir nichts gefällt werden durfte. Warten wir ab, was die Nachforschungen ergeben.
Buchtipp
Mitte März 2025 erscheint das Buch des Biologen und Naturschützers Herbert Zucchi: Nachdenkliches, Heiteres und Biografisches in Erzählung und Gedicht. Das Buch mit dem Titel „…und die Hoffnung kehrt zurück“ hat 160 Seiten, erscheint im Geest-Verlag und kostet 13 Euro. Herbert Zucchi war von 1993 bis 2018 Professor für Zoologie/Tierökologie und Umweltbildung an der Hochschule Osnabrück. Gedichte und Geschichten verfasst er seit seiner Kindheit. Geboren wurde er 1950 im nordhessischen Bergland. Dort wuchs er nach eigenem Bekunden mit dem Zaubertrunk der damals noch weithin unversehrten biologischen Vielfalt auf. Den Leser erwarten Geschichten und Gedichte über die Natur und die Hoffnung auf ihren Schutz.
Schutz der Dunkelheit steht in den Sternen
Die Dunkelheit der Nacht ist längst keine selbstverständliche Konstante mehr auf dem Globus. Der Mensch hat die Nacht zum Tag gemacht. Die Sterne am Nachthimmel sind von Städten und Ballungszentren aus betrachtet nur noch ein fahler Abglanz am Firmament. Die Dunkelheit ist ein rares Gut. 2021 hatte sich der deutsche Gesetzgeber ihres Schutzes angenommen. Was ist seitdem zum Schutz der Dunkelheit geschehen? Ist überhaupt etwas geschehen? Wilhelm Breuer von der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen e. V. hat in der aktuellen Ausgabe der Braunschweiger Umweltzeitung den Sachstand zusammengefasst und kommentiert: Von Lichtverschmutzung, Ankündigungen und Beschleunigungsgesetzen. Die Bildunterschrift unter dem Waldkauz-Foto beruht auf einem Redaktionsversehen. Zur Braunschweiger Umweltzeitung gelangen Sie hier.
Neue Ausgabe von Nationalpark erschienen
Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Nationalpark“ führt den Leser in die Wüste Gobi und in das Land der Przewalski-Pferde. Die Wiederansiedlung dieser Pferde in der Mongolei macht Hoffnung und zeigt, worauf es im Artenschutz ankommt: auf Kopf, Hand und Herz. Mut macht auch der Beitrag über den Großen Panda in China. Auf Chinas Umweltpolitik ruhen die Hoffnungen nicht nur für die Zukunft des Pandas. Ergaben die Schätzungen der 1980er Jahre kaum 1.200 Pandas, so wurden 2015 mindestens 1.864 erwachsene Tiere gezählt. In West- und Ostdeutschland setzt der Naturschutz in ausgekohlten Braunkohletagebauen auf eine neue Wildnis. Am Beispiel von Sielmanns Naturlandschaft Wanninchen im Süden Brandenburgs lässt sich beobachten, wie die Natur die vom Bergbau wüst hinterlassenen Rohböden zurückgewinnt. Weniger optimistisch indessen liest sich der eindrücklich illustrierte Beitrag über Windenergieanlagen im Wald. Auch eine Bundesregierung ohne Beteiligung von Bündnis90/DieGrünen wird an den Ausbauplänen der Windenergiewirtschaft und der Industrialisierung der Waldhorizonte festhalten. Außerdem im neuen Heft: ein Beitrag über Brände und Brandbekämpfung im Nationalpark Harz, die Insel Elba und das Wohnen auf kleinem Fuß in einem Tiny House. Nicht minder lesenswert ist Wilhelm Breuers Kommentar über den Ende 2024 erschienen „Faktencheck Artenvielfalt“. Klicken Sie bitte hier, wenn Sie diesen Kommentar lesen möchten.
Die Zeitschrift „Nationalpark“ berichtet auf 46 Seiten viermal jährlich über die Entwicklung deutscher Nationalparke, große Schutzgebiete und aus dem Naturschutz. Die Zeitschrift leistet sich, was in der deutschen Zeitschriftenlandschaft eine Ausnahme ist: einen unabhängigen, kritischen und fundierten Blick auf die Sache des Naturschutzes. Die EGE empfiehlt diese Zeitschrift mit den Worten, die der Journalist Horst Stern für sie gefunden hat: „Besser kann man Papier aus dem Holz der Bäume nicht nutzen“. Zur aktuellen Ausgabe gelangen Sie hier.
Beiträge von 2006 bis 2021
Nachrichtenarchiv
Wir freuen uns, dass wir auch ein Nachrichtenarchiv auf unserer Website haben, in dem Sie ältere Beiträge finden können. Das Archiv bietet Ihnen die Möglichkeit, vergangene Artikel jederzeit zu lesen und es umfasst alle Artikel, die von 2006 bis 2021 auf unserer „alten“ Website veröffentlicht wurden.